Lichtsetzung in der Blitzlichtfotografie
Inhaltsverzeichnis
2.1. Systemblitz ohne Lichtformer
2.5. Reflexions- und Durchlichtschirm
3.2. Table Top Light - „Mafia-Beleuchtung“
3.3. Charakterportrait mit 2 Blitzen
3.4. Gruppenportrait mit gleichmäßiger Ausleuchtung
3.5. Gezielte Körperausleuchtung
3.6. Licht von vorne und hinten
3.8. Die Lichtausbreitung kontrollieren
4. Situationsabhängige Lichtsetzung
4.1. Gezielte Inszenierung der Umgebung
4.2. Ein Motiv - vier Interpretationen
4.3. Die Umgebung bewusst einsetzen
4.9. Blitzlicht als eigenständiges Bildelement
4.10. Das Spiel mit dem Schatten
4.11. Langzeitbelichtung mit Blitzlicht
4.12. High Speed Synchronisation (HSS)
Kapitel 1 - Einleitung
Mein Name ist Benedikt Krieger und ich bin Medientechnik-Student an der Hochschule in Deggendorf.
Schon immer war ich begeisterter Hobbyfotograf, daher machten mir auch während meines Studiums die Vorlesungen und Projekte zum Thema Fotografie am meisten Spaß. Im Juli 2013 richtete ich mir in meiner Wohnung einen Studioraum ein und funktionierte meinen Dachboden als große Fotolocation um. Meine Aufnahmen kamen sehr gut bei den Leuten an, daraufhin wurde immer häufiger der Wunsch geäußert, von mir fotografiert zu werden.
Schnell wurde mir klar, dass ich mich selbst nicht mehr nur als Hobbyfotograf bezeichnen, sondern mein Hobby zum Beruf machen wollte.
Deshalb entschloss ich mich, auch meine Bachelorarbeit im Bereich der Fotografie zu erstellen. Eine virtuelle Tour durch meine Fotoräume würde einen tollen Einblick in meine Arbeit gewähren. Mit der schriftlichen Ausarbeitung im Bereich der Lichtsetzung mit Blitzlicht, mit Joe McNally als Vorbild, konnte ich noch eine Menge dazulernen.
Die grundsätzliche Erzeugung von künstlichem Licht mit Blitzlicht ist nicht die große Schwierigkeit. Ab dem Zeitpunkt, zu dem man mit diesem Licht jedoch eine spezielle Wirkung erzeugen will, steht man vor einer Herausforderung. Man muss sich im Vorfeld genau überlegen, was oder wen man beleuchtet, welche Bildsprache dabei entstehen soll und wie man das Licht formen muss, um den gewünschten Ausdruck zu erreichen. Auch die Frage, ob die Umgebung eine Rolle spielen soll und ob man das bestehende Umgebungslicht nutzen, oder ausschließlich mit Kunstlicht arbeiten will, ist ein bedeutender Aspekt.
Hat man solche Fragen geklärt, steht man vor einer weiteren Hürde, denn die technischen Voraussetzungen müssen erst mal erfüllt werden, um die Ergebnisse überhaupt erreichen zu können. Stative und Befestigungen, Blitze mit speziellen Funktionen, Kabelverbindungen, Funksysteme, Objektive und natürlich auch die Möglichkeiten, welche die eigene Kamera bietet, sind von großer Bedeutung. Hier kommt auch der finanzielle Aspekt ins Spiel, denn Fotoequipment im professionellen Bereich ist automatisch mit hohen Geldbeträgen verbunden. Allein die Investition in meine Canon EOS 5D Mark III entsprach der Anschaffung eines Gebrauchtwagens.
Diesen Herausforderungen stellte ich mich und ging Schritt für Schritt an die Sache heran.
Kapitel 2 - Die Lichtformen
In seinem Buch „Sketching Light“ stellt Joe McNally von Seite 2 bis 23 alle möglichen Lichtformen vor. Er beschreibt sehr detailliert, wie sich welches Licht auswirkt, wie er es aufbaut und in welchen Situationen er zur jeweiligen Form greift.1
Um mir ein eigenes Bild von den Auswirkungen der verschiedenen Arten zu machen, habe ich alle mir zur Verfügung stehenden Lichtformen ausprobiert und dokumentiert. Alle Versuche habe ich dabei vor schwarzem Hintergrund durchgeführt, um mich gezielt auf die Lichtausbreitung am Körper zu konzentrieren.
Alle Aufnahmen hierfür wurden mit der Canon EOS 5D Mark II bei einer Verschlusszeit von 1/160 Sekunden, einer Blende von F/2.8 und einem ISO-Wert von 100 durchgeführt. Die Blitzposition ist bei allen Versuchen etwa eine halbe Armlänge nach links von der Kamera verschoben und befindet sich leicht oberhalb der Augenlinie des Models.
Abb. 1: Skizze - Equipmentaufbau für Lichtformer
2.1. Systemblitz ohne Lichtformer
Im ersten Versuch habe ich den Blitz ganz normal ohne jeglichen Lichtformer auf Michaela gerichtet. Dieses Licht trifft knallhart auf ihr Gesicht und erzeugt somit auch entsprechend harte Schatten. Für ein Portrait, welches dem Gesicht des Menschen schmeicheln soll, ist diese Form des Lichts also absolut ungeeignet. Hier kann man auch sehr deutlich erkennen, dass trotz des schwarzen Hintergrunds ein sehr harter Schattenumriss des Models an der Wand entsteht.
Abb. 2: Systemblitz ohne Lichtformer
2.2. Systemblitz mit Diffusor
Abb. 3: Systemblitz mit Diffusoraufsatz
Abb. 4: Systemblitz mit Streulichtdiffusor
Das linke Bild zeigt Blitzlicht mit einem Standard-Diffusoraufsatz für Systemblitze. Hier verteilt sich das Licht zwar etwas weiter am Körper, ist aber immer noch sehr aggressiv und hart. Auch der Schatten an der etwa zwei Meter entfernten Wand hat unverändert harte Umrisse.
Im rechten Bild verwendete ich einen lichtstreuenden Diffusoraufsatz. Das Ergebnis ist hier schon um einiges besser, da dieser Aufsatz das Licht in alle Richtungen verteilt. Die Übergänge von ausgeleuchteten zu Schattenbereichen werden weicher, der Kontrast im Haar viel sanfter und der Schattenwurf an der Wand verliert seine harte Kontur. Hier ist man also schon auf einem guten Weg, um weiches Licht mit einfachen Mitteln zu erzeugen.
2.3. Beauty Dish
Das Beauty Dish wird von McNally relativ oft und gerne eingesetzt. Er beschreibt dieses als einen Lichtformer „der die Macht der Schatten betont und das Licht rapide abfallen lässt“2 und auf einer weiteren Seite sagt er: „Es betont Wangenknochen, lässt Augen leuchten und zeichnet das Gesicht nach.“3 Er verwendet dabei meistens ein sehr kleines Beauty Dish mit einem Durchmesser von 20 cm, um es als gezielte Gesichtsbetonung zu nutzen.
Das Ergebnis des ersten Tests hier im Bild rechts war sehr erfreulich für mich, da es absolut identisch mit den Resultaten von Joe McNallys Vorlagen war. Man erkennt hier genau die reine Konzentration des Lichts auf das Gesicht. Die Wangenknochen sind tatsächlich sehr stark betont. In Richtung Körper fällt das Licht sehr schnell ab und der Hintergrund bleibt unbeleuchtet.
Da ich ein solches Beauty Dish nicht auftreiben konnte, aber unbedingt mit dieser Lichtform arbeiten wollte, musste ich improvisieren. Ich verwendete die 18 cm Lichtschale meines Studioblitz-Sets und setzte meinen Streulichtdiffusor hinein, welcher verblüffend genau passte. In den Diffusor steckte ich zusätzlich den Deckel einer Blechdose. Die Innenseite der Schale beklebte ich mit weißem Papier, da auch McNallys Dish innen weiß war. Fertig war mein selbstgebautes Beauty Dish, passend zur Montage auf einen Systemblitz.
Abb. 5: Systemblitz mit Beauty Dish
Abb. 6: Beauty Dish mit silberner Innenfläche
Abb. 7: Beauty Dish mit weißer Innenfläche
Hier im konkreten Test mit Michaela habe ich noch mal den sehr deutlichen Unterschied zwischen dem Beauty Dish mit der silbernen Innenfläche (links) und der weißen Innenfläche der Schale (rechts) dargestellt.
Das Licht ist im rechten Bild bei weitem weniger aggressiv (bei gleicher Lichtstärke des Blitzes) und hebt nur das hervor, was es hervorheben soll. Auch der Hintergrund wird im linken Beispiel noch sehr deutlich, was rechts praktisch gar nicht der Fall ist.
Was im ersten Test mit meinem Testmodel Marina bei geschlossenen Augen noch nicht erkennbar ist, wird bei Michaela auch sehr deutlich. Die starke Aussagekraft der Augen, mit einem schönen, leicht versetzten Lichtreflex darin. Am Ende kann man sagen, dass das Beauty Dish hält, was sein Name verspricht und sich der Einsatz dieser Lichtform lohnt. Vor allem, wenn es darum geht, das Gesicht hervorzuheben und interessant in Szene zu setzen.
2.4. Die Softbox
Die wichtigste Regel, die ich aus dem Buch „Sketching Light“ zum Thema Softbox gelernt habe ist: „Je größer die Lichtquelle ist und je näher sie am Motiv steht, desto weicher und diffuser wird das Licht.“4 Für meinen Versuch stellte ich die Wallimex 60x60 cm Softbox auf die gleiche Weise auf, wie die anderen Lichtformer, also so nah wie möglich am Model, leicht links oberhalb der Augenlinie.
Abb. 8: 60x60 cm Softbox
Das Ergebnis ist exakt so, wie es die Regel von Joe McNally besagt. Es entsteht eine sehr gleichmäßige und weiche Lichtverteilung. Der Übergangsbereich von den deutlich ausgeleuchteten Flächen, bis in den Schatten ist ebenfalls sehr weich. Meiner Meinung nach ist diese Lichtform für das sanfte Portrait einer Frau optimal geeignet, da es die Haut geschmeidig wirken lässt und keine harten Konturen erzeugt.
Im zweiten Versuch habe ich die Softbox noch etwas erweitert, indem ich das dazugehörige Wabengitter an der Vorderseite der Box befestigte. Diese Wabe bewirkt eine noch deutlichere Lichtverteilung am Körper. Im Bildbeispiel zeigt sich das vor allem am geringeren Kontrast in den Haaren, die dadurch noch weicher wirken als im Bild oben. Auch die Schattenseite im Gesicht wirkt etwas aufgelöster.
Abb. 9: 60x60 cm Softbox mit Wabengitter
Für den dritten Versuch verwendete ich eine andere Softbox-Form, rechteckig mit den Maßen 90x60 cm. Diese Form wird auch als Strip Light bezeichnet. Im folgenden Portraitausschnitt von Michaela bewirkt dieser Formunterschied natürlich keinerlei nennenswerte Veränderungen. Allerdings wenn es darum geht, den ganzen Körper gleichmäßig auszuleuchten, ist diese rechteckige Form besser geeignet, als die kleine quadratische.
Bei beiden Softbox-Formen ist jedoch sehr klar zu erkennen, dass kein sichtbarer Schattenwurf am Hintergrund entsteht. Dies spricht natürlich in vielen Situationen für die Wahl der Softbox. Besonders bei der Aufgabe, den Hintergrund mit dem Hauptblitz weitestgehend unbeleuchtet zu lassen.
Abb. 10: 90x60 cm Softbox (Strip Light)
Auf den Seiten 248 bis 251 aus dem Buch „Sketching Light“ setzt McNally sein Strip Light gezielt ein, um sein Model im Wald schön gleichmäßig auszuleuchten, ohne dabei die Umgebung auffallend mit dem Licht zu berühren, bzw. nicht hervorzuheben. Dabei baut er es in ca. drei Meter Entfernung schräg oberhalb des Models auf.5
Diese Wirkung wollte ich auch ausprobieren und bin hierfür auf die große Fläche meines Dachbodens gegangen, wo ich reichlich Platz für den Test zur Verfügung hatte. Den Lichtaufbau glich ich entsprechend dem Vorbild des Künstlers an. Das Ergebnis bestätigt die Herangehensweise des Fotografen. Auch wenn das Licht das Gesicht natürlich am stärksten ausleuchtet, verteilt es sich dennoch sehr schön über den ganzen Körper. Am Boden entsteht tatsächlich kein künstlich wirkender Lichtbereich, da es sich bis dahin schon viel zu sehr in alle Richtungen verteilt hat. Wenn man also nur einen Blitz zur Hand hat und ein Model im Stehen schön ausleuchten will, ist das Strip Light wohl die aller beste Option.
Abb. 11: Softbox von schräg oben
2.5. Reflexions- und Durchlichtschirm
Die zwei letzten konkreten Lichtformen sind die regenschirmförmigen Lichtformer. Der Durchlichtschirm hat eine weiße, lichtdurchlässige Schirmfläche, durch die man hindurchblitzt. Das Prinzip des Reflexionsschirms ist umgekehrt. Man richtet die silberne (ggf. auch goldene) Innenfläche in Richtung des Motivs. Der Blitz strahlt in Richtung dieser Fläche, er wird also entgegengesetzt zum Model aufgebaut. Dabei sollte man die Entfernung des Lichtaufbaus grundsätzlich vergrößern, da dieses Licht im Gegensatz zum Durchlichtschirm eine größere Leuchtkraft besitzt.
Abb. 12: Reflexionsschirm
Abb. 13: Durchlichtschirm
Im linken Bild wird Michaela vom Reflexionsschirm beleuchtet und rechts vom Durchlichtschirm. Der Unterschied liegt sehr deutlich darin, dass der Reflexionsschirm den Hintergrund sehr stark trifft, da sich dieses reflektierte Licht stärker verteilt. Der Durchlichtschirm hingegen konzentriert den Lichtstrahl stärker auf das Model und lässt somit die Umgebung weitestgehend unbeachtet. Das bleibt wohl auch der Hauptaspekt, wenn es um die Wahl für die jeweilige Lichtform geht. Die Umrisse des Kopfes werden zwar im Beispiel des Reflexionsschirms deutlicher, doch das liegt ebenfalls daran, dass der Hintergrund in diesem Bereich etwas aufgehellt ist. Grundlegend ist jedoch die Sprache des Lichts in der Körperbetonung mehr oder weniger die gleiche, gleichmäßige Lichtausbreitung am Körper und sehr weiche Übergänge zwischen Licht und Schatten. McNally bezeichnet das Licht des Durchlichtschirms als „weich und cremig“6, ist aber vergleichbar mit der Softbox im vorherigen Test.
Ich persönlich würde mich zwar wahrscheinlich immer für die Softbox entscheiden, aber Aspekte wie Mobilität, Platzbedarf, Gewicht und Schnelligkeit im Aufbau können durchaus ausschlaggebend für die Wahl des „Regenschirms“ sein.
2.6. Externer Diffusor
In den Szenen seiner Bücher setzt Joe McNally, abgesehen von (bzw. zusätzlich zu) den normalen Lichtformen, immer wieder externe Diffusoren ein. Einerseits hält er solche vor einen Lichtformer, wie etwa dem Beauty Dish, um dessen Licht noch einmal eine Stufe weicher zu machen, andererseits nutzt er sie, um mit einem, oder mehreren Blitzen eine Art Softbox aufzubauen, die sich in ihrer Lichtstrahlrichtung gezielt steuern lässt.
Abb. 14: Externer Diffusor mit zwei Blitzen
In diesem ersten Versuch mit dieser Methode, setzte ich zwei Blitze ein, welche ich hinter einem runden Diffusor (Durchmesser: 150 cm) stellte. Auf beiden Blitzen waren zusätzlich noch Diffusorkappen montiert, um die Lichthärte zu reduzieren. Der Hauptblitz ist relativ hoch, so dass er von schräg hinten oben auf das Gesicht von Marina trifft. Den Aufheller-Blitz zog ich ein Stück weiter zu mir und platzierte ihn in etwa in Höhe der Knie, wobei ich den Blitzkopf leicht nach oben in Richtung Gesicht richtete. Dieses Aufhelllicht bewirkt eine zusätzliche Betonung der Beine und Hände und fließt an den Armen entlang nach oben. Dadurch bekämpft es den harten Schatten, welchen der Hauptblitz im Gesicht (vor allem direkt unter der Kappe) verursacht.
Diese Art der Ausleuchtung bietet unglaublich viele Möglichkeiten, um bestimmte Aspekte des Körpers hervorzuheben. Hierbei werden keine „Risse“ zwischen mehreren Blitzen bzw. Lichtformen verursacht. Der Diffusor bildet praktisch eine einzige Lichtquelle, welche sich durch den Einsatz von mehreren Blitzen in ihrer Intensität an bestimmten Stellen variieren lässt.
Kapitel 3 - Konkrete Lichtsetzung
3.1. Einfacher Lichtaufbau
Die größte Lehre, die ich aus den Arbeiten von Joe McNally ziehen konnte, war die Art und Weise, wie er seine Szenen Schritt für Schritt aufbaut. Auf den Seiten 102 bis 109 in „Sketching Light“ geht der Fotograf in einem Beispiel sehr genau auf seine Arbeitsweise ein. Grundsätzlich baut er alle seine Szenen mit dieser Vorgehensweise auf. McNally teilt seinen Aufbau immer in drei Blitzgruppen ein.7
Die Gruppe A ist der Hauptblitz. Hier verwendet er im Normalfall einen Blitz mit Lichtformer (Softbox, Beauty Dish, usw.). Diese Gruppe ist (fast) immer auf das Model gerichtet und je nachdem, wie er dieses inszenieren will, trifft er seine Entscheidung über die Wahl der Lichtform und der Blitzposition. Gruppe A ist immer eine einzige Lichtquelle. Es gibt allerdings auch Situationen, in denen dem Künstler die Leistung eines einzigen Blitzes als Hauptlicht zu schwach ist. Hierfür baut er sich oft mehrere Blitze nebeneinander bzw. in kreuzform auf und verpackt diese in einer Lichtform, um die Intensität der Lichtquelle zu erhöhen.
In Motiven, in denen der Hauptblitz nicht ausreicht, um das Model auszuleuchten, kommt Gruppe B ins Spiel. Diese Gruppe steht für den Aufheller-Blitz. Grundsätzlich setzt der Fotograf hier einen schwachen Blitz ohne Lichtformer (nur mit Diffusoraufsatz) ein und platziert diese Lichtquelle auf der gleichen Achse wie Gruppe A, um das Ganze nicht unnatürlich wirken zu lassen. Da er sich mit A hauptsächlich auf Gesicht/Oberkörper konzentriert, ist B dafür zuständig, den restlichen Körper auszuleuchten und gezielt zu betonen. Hierbei werden durchaus auch mehrere Blitze verwendet, deshalb auch die Einteilung in Gruppen und nicht in Blitz 1, Blitz 2, Blitz 3 zum Beispiel.
Gruppe C steht für den Hintergrundblitz. Hier ist die jeweilige Umgebung ausschlaggebend, ob und wie diese Gruppe aufgebaut wird. Sei es ein Schattenwurf eines Gegenstands, farbige Lichtfelder im Hintergrund, leuchtende Fenster, oder die bewusste Raumaufhellung an sich, McNally überlässt hier nichts dem Zufall. Er arbeitet sehr oft mit extrem kurzer Belichtungszeit, um die Umgebung weitestgehend für die Kamera auszublenden und sie anschließend mit gezielter Beleuchtung wieder in Szene setzen zu können.
In meinen weiteren Arbeiten nahm ich mir die Erkenntnis über diese Arbeitsweise zu Herzen. Vor allem in meinem großen Dachbodenbereich wollte ich die Ausleuchtung des Hintergrunds ebenfalls nicht mehr dem Zufall überlassen, sondern bewusst in die Bildmotive integrieren.
3.2. Table Top Light - „Mafia-Beleuchtung“
Eine weitere, für mich persönlich sehr spannende Art und Weise der Belichtung ist das Table Top Light. Auf Seite 154 bezeichnet McNally diese Form des Licht sehr humorvoll als „Mafia-Beleuchtung.“8
Grundsätzlich spricht er dabei von einem Überkopf-Blitz, nur dass er hier nicht direkt senkrecht von oben ausleuchtet, sondern den Blitz um ca. 30 Grad neigt und mit dem Aufbau des Lichts auch entsprechend vor das Motiv wandert. Ebenfalls auf Seite 154 gibt es einen sehr schönen Satz, mit dem der Fotograf die Art der Lichtausbreitung beschreibt: „Stellen Sie sich das Gesicht wie die Seite einer Klippe vor. Es hat prominente Bereiche - Stirn, Nase, Wangenknochen, Kinn. Andere - vor allem die Augen - treten etwas zurück.“9 Letztendlich ist mit dieser Mafia-Bezeichnung gemeint, dass eine solche Positionierung des Lichts eine sehr hohe Dramatik im Ausdruck des Models erzeugt und somit auch den gutmütigsten aller Männer, wie einen harten Kerl auftreten lässt. Als Lichtform greift der Autor dabei wieder zum Beauty Dish, da diese Form schon im Licht selbst, zwischen Licht- und Schattenbereichen einen starken Kontrast hervorruft und somit entsprechend Dramatik mit sich bringt.
Auf den Seiten 152 bis 163 beschreibt der Fotograf mehrere Variationen für einen solchen Lichtaufbau, welche ich als Vorbild für meine eigenen Versuche verwendet habe.
Ich bat Dominik, mein Versuchskaninchen, sich mit Babyöl einzureiben. Zusätzlich besprühte ich ihn mit Wasser.
Laut der Beschreibung des Autors bleibt auf diese Weise das Wasser in Tropfenform auf der Oberfläche und wirkt wie selbst gemachter Schweiß.10
Das Beauty Dish platzierte ich weit oberhalb der Augenlinie, leicht links vom Motiv. So entsteht ein sehr starker Kontrast. Durch die hohe Blitzposition findet man in den Augen keinen Lichtreflex mehr. Sie werden ummantelt von tiefen Schatten und kommen nur noch schleierhaft zum Vorschein. Die Züge der Wangenknochen und des Kinns kommen durch den starken Lichtabfall sehr intensiv zur Geltung.
Abb. 15: Table Top Light - Ein Blitz von oben
Durch das Öl und das Wasser kommt eine Lichtreflexion auf der Brust zustande. Nach unten hin fällt das Licht schnell ab. Somit werden die Konturen der Muskeln intensiv betont. Die gewünschte Dramatik ist somit sehr deutlich erkennbar - „ein Blitz für harte Typen.“11
Im zweiten Versuch ging ich noch einen Schritt weiter, indem ich einen zweiten Blitz aufbaute. Diesen platzierte ich etwa 45 Grad schräg hinter dem Model. Ich wollte hartes Licht, deshalb nahm ich weder Lichtformer, noch Diffusoraufsatz. Dieser Blitz hebt mir die sonst im Schatten verschwindende Kontur der rechten Körperseite wieder hervor. Ebenso betont es das Kinn und die Wangen von Dominik. Die Vorstellung einer zweiten Lichtquelle weit hinten im Raum verleiht der Szene somit mehr „Tiefe und Dimension“12 und lässt das Model nicht mehr mit dem puren Schwarz verschmelzen.
Abb. 16: Hintergrundblitz
Nun wollte ich versuchen, den Körper selbst noch etwas mehr zu betonen. Deshalb stellte ich Dominik auf einen Reflektor. Den Aufheller-Blitz richtete ich bei ganz schwacher Leistung auf den Reflektor, so dass dieser das Licht von unten nach oben auf den Körper zurückwirft (linkes Bild). Die Hände und die Hose werden dadurch hervorgehoben. Auch die Bauchmuskulatur kommt durch das konternde Licht von unten sehr schön zur Geltung. Im rechten Bild nahm ich den Reflektor weg vom Boden und bat meine Helferin Michaela, ihn schräg unterhalb von Dominik zu halten. Den Aufheller gab ich ihr in die andere Hand, um wieder gegen den Reflektor zu blitzen.
Abb. 18: Blitz auf Reflektor am Boden
Abb. 17: Blitz auf Reflektor schräg davor
Das Ergebnis ist relativ ähnlich zum vorherigen Versuch. Die Bauchmuskeln kommen sogar noch etwas stärker zur Geltung. Auf diese Weise verteilt sich das Licht gleichmäßiger am Körper.
Für die finalen Aufnahmen hatte ich vier Blitze zur Verfügung, welche ich alle zum Einsatz bringen wollte. Ich lud meinen Freund Florian dazu ein. Er ist Kickboxer und auch entsprechend durchtrainiert.
Im ersten Bild baute ich ein symmetrisches Set auf. Der Hauptblitz mit Beauty Dish befindet sich etwa 30 cm vor und oberhalb seines Kopfes. Die zwei Hintergrundblitze stellte ich jeweils ca. drei Meter rechts und links schräg hinter das Model. Ein weiterer Blitz war auf den Reflektor gerichtet, auf welchem ich Florian stehen ließ.
Abb. 19: Skizze - Table Top Light mit vier Blitzen
Ich war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Die Gesichtsform wird durch die beiden Hintergrundblitze sehr intensiv betont und durch das reflektierte Blitzlicht von unten behalten die Unterarme ihre Aussagekraft. Auch das Logo auf seinem Hosenbund wird hierdurch deutlich hervorgehoben. Womit ich hier unzufrieden bin, ist die starke Schattenkante an Florians Halsseiten, die unglücklicherweise von seiner sehr ausgeprägten Nackenmuskulatur hervorgerufen wird.
Abb. 20: Table Top Light mit vier Blitzen
Im letzten Bild entschied ich mich deshalb, den rechten Hintergrundblitz weg zu lassen. Zusätzlich bat ich mein Model, etwas Bewegung in seine Pose zu bringen. Da der linke Hintergrundblitz durch die schräge Körperhaltung nun keinen harten Schnitt mehr verursacht und die ganze Körperseite schön nachzeichnet, wirkt das Ganze weniger künstlich. Der Hauptblitz trifft jetzt nicht mehr gerade auf das Gesicht, was eine sehr dramatische Schattenseite im Gesicht und auf der Brust hervorruft. Der Reflektorblitz hält die Unterarme am Leben. Für ein Sportlerportrait ein sehr gelungener Lichtaufbau.
Abb. 21: A von oben, B von unten auf Reflektor, C von schräg links hinten
3.3. Charakterportrait mit 2 Blitzen
In seinem Werk „Sketching Light“ erklärt Joe McNally auf den Seiten 164 bis 169 einen einfachen Lichtaufbau mit großer Wirkung. Er beschränkt sich hierbei auf lediglich zwei Blitze, um ein aussagekräftiges, schnelles „Charakterportrait“13 zu erzeugen, ohne dabei viel Aufwand einzubringen.
Der Hauptblitz wird dabei von links gerade auf das Model gerichtet. Der zweite Blitz wird als Hintergrundblitz eingesetzt und schräg rechts hinter dem Motiv aufgebaut. Der Raum an sich bleibt in dieser Situation unbeleuchtet, so dass sich der Betrachter ausschließlich auf das Model konzentriert. Allerdings verleiht das „Rim-Light“14 (Blitz zur Betonung der hinteren Körperkontur), genau wie im Beispiel des Table-Top-Light, der Umgebung dennoch Tiefe.
Für meinen ersten eigenen Versuch mit dieser Art von Lichtaufbau bat ich nochmals Dominik, mir hierfür Modell zu stehen. Dieser erste Test war zwar schon einigermaßen zufriedenstellend, jedoch gab es noch die eine oder andere Feinheit, die noch angepasst werden musste.
Abb. 22: Hauptblitz ohne Diffusor
Das Hauptlicht war hier noch nicht genau auf der Querachse zum Model, sondern etwas schräg davor, was Dominiks linke Backe teilweise sehr stark ausleuchtet. Trotzdem entsteht aber ein sehr starker Schatten der Nase, da hier kein Licht auftrifft. Der Kontrast zwischen diesen beiden Flächen ergibt meiner Meinung nach ein eher störendes Gesamtbild und auch der Hintergrund wird durch die schräge Ausrichtung des Blitzes leicht angeleuchtet.
Da auch das Licht selbst (für meinen Geschmack) noch viel zu hart war, stellte ich im zweiten Versuch zusätzlich einen Diffusor zwischen Hauptblitz und Model. Die Position des Blitzes war nun genau auf einer Linie mit Dominik. Durch den Diffusor sind die Übergänge weicher und die Schatten nicht so intensiv.
Der Hintergrundblitz bleibt unverändert und erfüllt weiterhin seinen Zweck, indem er die hintere Körperkante am Leben hält. Ich setzte hierfür gezielt einen blauen Farbfilter ein, um einen Kontrast zum warmen Hauptlicht zu schaffen.
Abb. 23: Skizze - Charakterportrait
Abb. 24: Hauptblitz mit Diffusor, Hintergrundblitz mit blauem Farbfilter
Das Resultat dieses Lichtaufbaus erzeugt tatsächlich ein sehr schönes Portrait, welches dem Model eine sehr hohe Aussagekraft und somit Charakter verleiht.
Bei einem weiteren Versuch testete ich, wie sich eine Abwandlung des Hauptlichts auswirkt. Ich nahm also statt dem Diffusor, die 60x60 cm Softbox mit Wabengitter, welche für eine sehr gleichmäßige Lichtverteilung am Körper sorgt. Allerdings stellte ich diese diesmal nicht in Höhe der Augenlinie auf, sondern schräg oberhalb des Motivs. Damit wollte ich vor allem das blonde Haar meines jungen Testmodels zum Leuchten bringen.
Abb. 25: Hauptblitz in Softbox
Beim Hintergrundblitz setzte ich einen warmen, gelben Farbfilter ein. So verleiht er der zugewandten Seite ein goldiges Strahlen und sorgt für ein ansprechendes Farbspiel. Diese Variation ist meiner Meinung nach für eine Frau besser geeignet, da das Blitzlicht durch die Softbox entsprechend weicher und somit schmeichelnder für das Gesicht ist, als die Lösung mit dem harten Blitz.
3.4. Gruppenportrait mit gleichmäßiger Ausleuchtung
Im Beispiel von Joe McNally im Buch „Sketching Light“ auf Seite 260 fotografiert er drei Leute, die eng nebeneinander stehen. Um alle Personen schön gleichmäßig ausleuchten zu können, nutzt er zwei Blitze, die jeweils in einem quer gestellten Strip Light untergebracht sind. Der Hauptblitz wird dabei schräg oberhalb der Gruppe aufgestellt und der Zweite in etwa im gleichen Winkel unterhalb der Personen. Beide Softboxen sind dabei frontal auf das Motiv ausgerichtet, während sich die Kamera zwischen den Strip Lights befindet. McNally bezeichnet diese Form des Lichtaufbaus in diesem Kapitel „als klassische Lichtmuschel.“15 Diese Bezeichnung trifft sehr genau zu, da sich hier das Licht schalenförmig über die Körper ausbreitet und dabei nichts übersieht.
In meinem Beispiel waren es fünf Personen, die ich auf diese Weise ausleuchten wollte. Das hieß für mich, dass ich hierfür die Blitze entsprechend weit entfernt aufbauen musste und hohe Blitzleistung benötigte, um die erforderliche Lichtausbreitung zu erreichen. Die obere Softbox stellte ich also in einer Höhe von etwa zwei Meter auf und die untere legte ich einfach auf den Boden. Beide sind ca. 2,5 Meter von der Gruppe entfernt.
Abb. 26: Skizze - Lichtschale
Um die benötigte Blitzleistung ohne Probleme zu erreichen, nahm ich hierfür statt der Systemblitze, die Walimex Studioblitze. Den oberen Blitz stellte ich zwei Leistungsstufen höher, als den unteren, um die Gesichter der Leute etwas stärker hervorzuheben, als den Rest.
Das Ergebnis war wie erhofft. Das Licht verteilt sich gleichmäßig über das ganze Motiv und dabei gibt es keine Aspekte, die unbetont bleiben. Perfekt, um mehrere Menschen gut auszuleuchten, allerdings auf Kosten der Dramatik durch Licht und Schatten.
Abb. 27: Lichtschale mit zwei Blitzen in Strip Lights
3.5. Gezielte Körperausleuchtung
Auf Seite 118 im Buch „Sketching Light“ wird ein Mann fotografiert, der eine Art Indianerhut trägt, auf dem sehr lange Federn nach oben ragen. Eine solche Situation gibt es für meine Arbeit zwar nicht, jedoch hat mich die Belichtungsmethode sehr angesprochen.
Im Beispiel von Joe McNally werden zwei Diffusorwände rechts und links neben dem Model aufgebaut. Hinter diesen Diffusoren werden gezielt mehrere Blitze aufgestellt, um bewusst bestimmte Aspekte stärker auszuleuchten. „So kann ich mit unterschiedlicher Leistung arbeiten und so verschieden helle Zonen auf dem Reflektor erzeugen.“16
Ich wollte diese Form der Belichtung nutzen, um mit meinem Model Marina eine entsprechend gezielte Körperausleuchtung zu erzeugen.
Ich stellte also links von ihr einen 180x200 cm Diffusor und rechts einen kleineren 80x120 cm Diffusor auf. Hinter Beiden platzierte ich jeweils zwei Blitze. Den ersten Blitz hinter dem linken Diffusor brachte ich etwa auf Stirnhöhe des Models an, leicht nach unten geneigt, so dass er sowohl Gesicht, als auch Brust ausleuchtet. Den Zweiten in Bauchhöhe, ebenfalls schräg nach unten gerichtet, um Hüfte und Oberschenkel zu betonen.
Abb. 28: Vier Blitze zur Körperausleuchtung
Auf der rechten Seite setzte ich einen Blitz ungefähr auf Schulterhöhe, um den Arm und auch den Hinterkopf zu beleuchten. Der letzte Blitz ist auf den Po gerichtet, um diesen noch hervorzuheben, das Licht dann aber schnell nach unten abfallen zu lassen.
Um die Kleidung brauchte ich mich hier nicht besonders zu kümmern, da der Stoff selbst und die Farbe genügend Leuchtkraft besaßen, dass dafür das Restlicht der Blitze ausreichte.
Das Resultat ist für mich sehr zufriedenstellend, da es genau das zeigt, was es sollte. Die konkret ausgerichteten Blitze heben die jeweiligen Bereiche des Körpers hervor, wobei aber die restlichen Stellen nicht zu sehr in den Hintergrund treten, da keine harten Kanten entstehen. Es entstehen nur ganz weiche Verläufe zwischen Licht- und Schattenflächen, die aber die Dramatik im Bild aufrecht erhalten.
Abb. 29: Andere Pose verändert Lichteindruck
Man kann deutlich erkennen, wie unterschiedlich die zwei verschiedenen Posen in diesem Lichtaufbau wirken. Ist der Rücken, wie im zweiten Bild, zur Kamera gewandt, so entsteht auf dieser unebeneren Fläche mehr Kontrast durch Schatten. Auch der linke Arm wird gerade von beiden Seiten vom Licht getroffen, wodurch ein etwas intensiverer Schatten dazwischen entsteht. Im ersten Bild sind alle Flächen mehr oder weniger glatt und den Blitzen so zugewandt, dass das Licht gleichmäßig über sie fließen und sich ausbreiten kann. Mit dieser Pose wirkt das Licht deshalb weicher und gleichmäßiger, allerdings auch umso schwächer im Kontrast.
In einem weiteren Versuch entfernte ich mich wieder von den Diffusoren. Das Ziel war hier, Marina mit nur zwei Blitzen komplett von beiden Seiten auszuleuchten und dabei im Zentrum ihres Körpers einen Kontrast zu erzeugen.
Ebenso wollte ich hierfür mit Hintergrund arbeiten. Ich ging schließlich auf eine ganz spezielle Weise an die Aufgabe heran, indem ich Marina bat, sich auf den Boden der großen Fläche meines Dachbodens zu legen, so dass ich sie frontal von oben fotografieren konnte. Um dies zu realisieren, kletterte ich auf einen Balken in ca. drei Meter Höhe. Beide Blitze stellte ich jeweils links und rechts etwa einen Meter vom Model entfernt auf den Boden, direkt auf sie gerichtet. Der rechte Blitz ist in einem Strip Light verpackt, während der Linke lediglich mit einem Diffusoraufsatz ausgestattet ist. Zusätzlich schob ich ihn ein Stück weiter in Richtung Gesicht, da ich befürchtete, dass sich dieser Blitz im Gegensatz zum Strip Light nicht so stark verteilt.
Bei der ersten Aufnahme stellte ich schnell fest, dass die Entfernung der Blitze zum Motiv zu gering war, da man auf dem Boden einen deutlichen Lichtkegel erkennen konnte. Die Ausleuchtung des Körpers an sich, erfüllte jedoch bereits meine Vorstellungen.
Schließlich wurde die Entfernung der Blitze im zweiten Durchgang in etwa verdoppelt und natürlich auch die Blitzleistung entsprechend angepasst. Zusätzlich bat ich Marina, ihre Beine weiter zu strecken, da diese bei der frontalen Ansicht der Situation sehr kurz wirkten, wenn sie diese anwinkelte.
Abb. 30: Links Diffusor, rechts Strip Light
Zwar ist hier im zweiten Durchgang die Lichtausbreitung am Boden trotzdem noch zu erkennen, aber wenigstens weit weniger aufdringlich als davor. Der deutlich wärmere Farbton des linken Blitzes lässt ebenfalls über die größere Distanz nach. Überraschenderweise breitete sich die linke, kleine Lichtquelle praktisch genauso über die Länge des Körpers aus, wie rechts beim Strip Light, was im ersten Beispiel noch nicht der Fall war.
Letztendlich kommt ein ansprechendes Ergebnis zum Vorschein, welches die Körperform intensiv betont und trotz hohem Kontrast sehr vorteilhaft in Szene setzt.
Abb. 31: Blitze in optimale Entfernung
3.6. Licht von vorne und hinten
Die Idee zum folgenden Lichtaufbau entstand aus eigenen Versuchen für eine Silhouettendarstellung. Die grundsätzliche Idee war es, das Model direkt an die strahlende Fläche des Strip Light zu stellen. Die gewünschte Silhouette entstand zwar, jedoch nicht hundertprozentig, da das Licht zu weit in den Körper wanderte. Ebenso war ich im Bildausschnitt zu eingeschränkt, da mir ja nur 60x90 cm zur Verfügung standen.
Daraus entwickelte sich aber die Idee, das Rückenlicht von vorne zu kontern und somit ein ansprechendes Portraitmotiv zu erzeugen. Für das Frontallicht nahm ich ein zweites Strip Light und stellte es gerade hinter der Kamera auf. Dieses mal nicht hochkant, sondern quer gestellt. Um zu vermeiden, dass ich als Fotograf dabei einen Schatten auf das Model werfe, hob ich das Stativ der Softbox, so dass diese über mich hinaus ragte.
Hier lässt sich sehr schön mit den Leistungseinstellungen der Blitze experimentieren. Egal, ob man beide Blitze auf gleicher Leistung, oder einen Blitz stärker als den anderen einstellt, es entsteht immer ein spannendes Motiv mit völlig eigener Aussagekraft.
Abb. 32: Skizze - Licht von vorne und hinten
Der Rückenblitz sorgt dafür, dass die Umrisse von Licht umflossen und damit verstärkt hervorgehoben werden. Das Frontallicht von schräg oben lässt die Schatten weich nach unten fließen. Vor allem im linken Bild ist sehr gut zu erkennen, wie intensiv dieser Aufbau die Augen hervorhebt und die Wangen betont. Perfekt für ein kreatives Beauty-Portrait.
Abb. 33: Vordergrundblitz stärker
Abb. 34: Hintergrundblitz stärker
3.7. Die Silhouette
Zum Thema Silhouette fand ich leider in keinem der zwei Bücher, welche ich für meine Arbeit nutzte, ein passendes Kapitel. Dennoch wollte ich dieses Thema aufgreifen, da es mich persönlich sehr interessiert.
Durch die Erfahrungen, die ich im Bereich der Fotografie im Laufe der Zeit sammeln konnte, kamen für mich nur zwei Möglichkeiten in Frage. Entweder durch eine entsprechend große, lichtdurchlässige Fläche hindurchblitzen, oder das Model vor eine stark reflektierende Wand stellen, gegen die man blitzt.
Abb. 35: Skizze - Silhouette, Blitz durch Diffusor
Für den ersten Versuch nahm ich den großen 150x200 cm Diffusor, in Kombination mit dem Strip Light, welches ich in ca. zwei Meter Entfernung dahinter aufstellte. Diese Situation baute ich hinter der im Dachboden hängenden Schaukel auf. Den Blitz stellte ich auf voller Leistung ein. Ein sehr einfacher und schneller Aufbau und ebenso zügig entstand schließlich auch ein optimales Silhouettenbild.
Die Verschlusszeit liegt hier bei 1/100 Sekunde, dabei bleibt noch eine ganz leichte Andeutung der Körperrückseite vorhanden. Wollte man diese Andeutung vermeiden, sollte dies spätestens bei 1/160 Sekunde der Fall sein.
Abb. 36: Silhouette, Blitz durch Diffusor
Für die zweite Methode stellte ich mein Model Anja vor die große weiße Wand im Studioraum. Ich platzierte hierfür etwa einen Meter entfernt, rechts und links vom Motiv, jeweils zwei Blitze mit Diffusoraufsatz. Auf jeder Seite befand sich dabei ein Blitz auf einer Höhe von ca. 1,60 Meter und der Andere direkt auf dem Boden. Alle vier Systemblitze waren in Richtung des Zentrums der Wand hinter Anja ausgerichtet und auf volle Leistung gestellt.
Abb. 37: Skizze - Silhouette, vier Blitze auf weiße Wand gerichtet
Die folgenden Bildergebnisse zeigen ebenfalls eine sehr ansprechende Silhouettendarstellung. Allerdings wird bei dieser Methode das Licht trotz Konzentration in ein Zentrum, weiter in den Raum gestreut, was wohl ganz einfach an der Größe der strahlenden Fläche liegt. Dadurch fließt es an bestimmten Stellen in den Körper hinein, was man im Gesicht und an den Füßen sehr deutlich erkennen kann.
Abb. 38: Reflektiertes Licht fließt in Körper hinein
Auch der helle Klappstuhl aus Metall im ersten Beispiel empfängt und reflektiert daher sehr viel Licht und hebt sich von der Silhouette ab. Aber genau aus dem Grund, dass man hier noch leichte Konturen im Gesicht erkennen kann, bin ich mit dem Resultat sehr zufrieden. Denn dieser Aspekt verleiht dem Model meiner Meinung nach noch mehr Charakter und Aussagekraft, als bei einer harten, komplett schwarzen Silhouette.
Vergleicht man die unterschiedlichen Herangehensweisen miteinander, gibt es letztendlich bei Beiden Vor- und Nachteile. Die Methode mit dem Diffusor ist definitiv schneller im Aufbau. Zwei Blitze sollten hierfür auch genügen und sie bietet die deutlichere Zeichnung der Silhouette. Allerdings ist man hier, was den Bildausschnitt betrifft, deutlich eingeschränkter, da man sich nur innerhalb der Größe des Diffusors bewegen kann.
Abb. 39: Aufgelöste Silhouette erhöht Aussagekraft
Nutzt man die reflektierende Wand, ist man im Ausschnitt weit weniger begrenzt. Aber hier ist wiederum der Aufbau etwas aufwendiger, man braucht eine größere Anzahl an Blitzen und die Silhouettenzeichnung ist aufgelöster.
Letztendlich wird immer die jeweilige Situation für die Wahl der am besten geeigneten Methode ausschlaggebend sein.
3.8. Die Lichtausbreitung kontrollieren
Obwohl ein Blitz immer eine konkrete Richtung besitzt, breitet sich dessen Licht vor allem bei großer Entfernung sehr weit aus. Möchte man diese Streuung einschränken, ist die Zoom-Einstellung am Blitz der erste Schritt, um das Licht besser zu bündeln. Doch eine klare Eingrenzung des Lichtfeldes ist hier immer noch nicht möglich. „Sobald Sie die Kerlchen auslösen, geht das Licht überall hin. Sie müssen ihm die Richtung weisen.“17
Auf diese Weise beschreibt McNally diese Problematik und weist auf bestimmte Kauflösungen für Formgeber hin.
Mein Ziel im folgenden Test war es, eine klare Lichtführung zu kreieren. Ein Lichtkegel sollte entstehen, welcher möglichst nur da auftrifft, wo er hingeführt wird, also eine Art Spotlight, wie auf einer Showbühne.
Um das jedoch auf simple und günstige Art und Weise zu realisieren, nahm ich ein großes Kartonpapier, welches ich vorher schon auf Lichtundurchlässigkeit prüfte. Dieses rollte ich kegelförmig zusammen, so dass die Öffnung am schmalen Ende gerade reichte, dass man den Kopf des Systemblitzes hineinschieben konnte. Insgesamt war dieser Kegel etwa 80 cm lang. Das vordere Ende hatte einen Durchmesser von ca. 25 bis 30 cm. Grundsätzlich wollte ich damit erreichen, dass bei einer Entfernung von rund drei Meter, ein Lichtpunkt mit einem Durchmesser von etwa 1 bis 1,5 Meter entsteht.
Im konkreten Versuch befestigte ich meinen Blitz oben am Balken, an dem die Schaukel befestigt war und richtete ihn gerade nach unten. Die kegelförmige Lichtausbreitung lässt sich hier sehr schön betrachten. Das Licht fließt an den Seilen entlang nach unten und lässt dabei die Umgebung, welche eigentlich mit vielen Balken geziert ist, völlig unberührt. An der nach oben gestreckten Fußspitze und im Gesicht des Models ist ein sehr deutlicher Lichtabfall zu erkennen, da sich diese Stellen schon an der Grenze des Lichtkegels befinden.
Abb. 40: Skizze - Lichtausbreitung kontrollieren
Diese Art der Lichteinschränkung ist meiner Meinung nach eine sehr interessante Methode, um ein Model auf ansprechende Weise in Szene zu setzen. Es entsteht viel Kontrast zwischen der dem Licht zugewandten Körperseite und der Abgewandten. Dennoch wird die Körperform ausreichend betont. Was man im Beispielbild nicht sieht, ist der klar gezeichnete Lichtbereich, der am Boden entsteht. Von dort wird das Licht auch wieder zurück nach oben reflektiert und lässt somit die Körperunterseite nicht völlig im Schatten verschwinden.
Abb. 41: Lichtausbreitung mit Formgeber steuern
Kapitel 4 - Situationsabhängige Lichtsetzung
4.1. Gezielte Inszenierung der Umgebung
Joe McNally beschreibt zwar im Buch „Sketching Light“ sehr konkret, wie er in Standardsituationen seine Lichtszene aufbaut, welche Lichtform er hierfür nutzt und warum. Er gibt auch sehr genau Auskunft über die Kamera- und Blitzeinstellungen der jeweiligen Beispiele. Jedoch wird beim Lesen seiner Bücher sehr schnell klar, dass es solche Situationen, vor allem außerhalb eines immer gleichen Fotostudios, nur sehr selten gibt. Jeder Mensch, jede Form von Kleidung, jede Tageszeit und jede Umgebung hat seinen eigenen Charakter und erfordert eine individuelle Anpassung des Lichts und der Kameraeinstellungen.
Der Autor geht in seinen Büchern in vielen Situationen jedoch noch einen Schritt weiter. Statt sich einfach nur der Umgebung anzupassen, setzt er das Blitzlicht gezielt ein, um den jeweiligen Ort, oder den Raum so zu inszenieren, wie er es in der entsprechenden Situation haben möchte.
Dafür stellt er die Kamera meist auf eine sehr kurze Belichtungszeit, so dass die Umgebung ohne Blitzlicht für die Linse weitestgehend unbeachtet bleibt. „Bei 1/200 s kontrolliere ich den Raum und halte ihn im gedämpften Licht.“18 In weiteren Schritten richtet er seine Blitze ganz konkret auf bestimmte Aspekte der Umgebung, um diese in die Szene zu integrieren.
Bei der Betrachtung der Resultate dieser Arbeitsweise wird sehr schnell klar, wie effektiv diese Methode ist und wie wandelbar eine Umgebung sein kann. In meinem Dachbodenbereich, welchen ich zum Fotografieren nutze, gibt es unzählige Möglichkeiten, um mit diesem Vorgehen einzigartige Situationen zu erschaffen. Aus diesem Grund hat mich die Herangehensweise des Fotografen ganz besonders inspiriert und mich auf viele neue Ideen gebracht.
4.2. Ein Motiv - vier Interpretationen
Im ersten Beispiel wollte ich herausfinden, was ich mit lediglich zwei Blitzen erreichen kann. Die Szene am alten, heruntergekommenen Kamin war hierfür sehr gut geeignet, da es dort auch nur zwei markante Stellen gibt, nämlich den Kamin selbst und die Dachschräge dahinter.
Die folgenden zwei Bilder wurden nur mit einem einzigen Blitz, verpackt in einer Softbox mit Wabengitter, aufgenommen. Die Lichtform in ca. zwei Meter Entfernung sorgt dafür, dass das Model und auch der Hintergrund deutlich ausgeleuchtet werden, ohne dabei ein aufdringliches, künstliches Lichtfeld zu erzeugen.
Abb. 42: 1/100 Sekunde bei ISO 400
Abb. 43: 1/160 Sekunde bei ISO 100
Im linken Bild war ich mit meiner Belichtung bei 1/100 Sekunde und ISO 400, was den Hintergrund trotz indirekter Ausleuchtung noch sehr deutlich erscheinen lässt. Für das rechte Bild ging ich auf 1/160 Sekunde und ISO 100, was zur Folge hatte, dass nur noch die direkt im Lichtfeld der Softbox stehenden Aspekte in den Vordergrund treten. Das Dach im Hintergrund verschwindet langsam in der Dunkelheit und auch Marinas schwarzes Oberteil verschmilzt mit ihrem Schatten.
Beide Bilder sind sehr stimmig und zeigen, dass man natürlich auch mit nur einem Blitz ein ansprechendes Motiv erzeugen kann. Doch es war noch nicht das, worauf ich hinaus wollte. Mein Ziel war es, einen zweiten Blitz zu nutzen, um eine Lichtquelle zu inszenieren, welche hinter dem Kamin hervorragt.
Abb. 44: Hauptblitz mit Softbox, Hintergrundblitz mit Farbfilter
Abb. 45: Hauptblitz mit Beauty Dish, Hintergrundblitz hinter Balken
Nun nahm ich also einen zweiten Blitz und platzierte ihn etwa einen Meter hinter dem Kamin. Um etwas Farbe in das ganze Geschehen zu integrieren, setzte ich noch zusätzlich einen roten Farbfilter auf den Hintergrundblitz, wie man im linken Bild deutlich erkennen kann. Das Ergebnis liefert ein sehr schönes, warmes Farbspiel. Das hinter dem Kamin hervortretende Licht vergrößert den Raum und lässt den Betrachter selbst hineininterpretieren, woher dieser rot-orange Lichtstrahl wohl kommt.
Im rechten Bild entfernte ich den Filter wieder. Ebenso veränderte ich die Position des Hintergrundblitzes, indem ich ihn bewusst zwischen zwei Balken stellte. Auf diese Weise konnte ich die Lichtausbreitung und die Lichtrichtung klarer definieren.
Ebenso montierte ich für dieses Beispiel die Softbox auf dem Hauptblitz ab und nahm stattdessen das kleine Beauty Dish als Lichtform. Der Unterschied zum linken Bild ist sehr deutlich. Der Hauptblitz ist nun überwiegend auf das Gesicht des Models konzentriert. Lediglich durch die große Entfernung der Lichtquelle von ca. 1,5 Meter breitet sich das Licht auch nach unten aus und betont trotzdem noch die Oberschenkel sehr dezent. Das Licht des Hintergrundblitzes wird durch die Balken zu einem harten, schmalen Lichtkeil geformt. Das erweckt den Eindruck, als würde es hier steil durch ein Fenster fallen, bzw. durch eine Tür, die nur einen Spalt geöffnet ist.
Alle vier Ergebnisse aus diesem Versuch sind sehr interessant. Und obwohl sie alle am gleichen Ort, in mehr oder weniger der gleichen Perspektive aufgenommen wurden, steht jedes einzelne für sich in seiner Aussagekraft und Wirkung.
4.3. Die Umgebung bewusst einsetzen
Im nächsten Versuch auf der Dachbodentreppe stieß ich bei dem Wunsch, die Umgebung bewusst in Szene zu setzen, sehr schnell an die Grenzen von zwei Blitzen. Hier wollte ich zusätzlich zur Ausleuchtung des Models, die Treppe selbst interessant betonen und den Rest der Umgebung weitestgehend außer Acht lassen.
Ich platzierte also meinen Hintergrundblitz mit voller Leistung auf dem Boden unter der Treppe, steil nach oben gerichtet, um die einzelnen Treppenstufen hervorzuheben. Der Hauptblitz befindet sich schräg oberhalb von Michaela, ca. einen Meter von ihrem Gesicht entfernt. Als Lichtformer nahm ich hier wieder das Beauty Dish, um zu vermeiden, dass zu viel Licht auf die Umgebung trifft.
Schon waren meine zwei Blitze verbraucht. Mit dem Ergebnis war ich zwar schon auf dem richtigen Weg, aber noch nicht vollkommen zufrieden.
Zum einen war mir die Leistung eines einzigen Blitzes zur Treppenausleuchtung noch zu schwach. Zum anderen gefiel mir nicht, dass Michaelas nackte Beine kaum noch Licht empfingen und sie dadurch aussah, als würde sie schwarze Strümpfe tragen. Was mir in dieser Situation doch sehr gefiel, war das Kleid des Models. Dieser Stoff hatte genügend Leuchtkraft, dass das auf das Gesicht gerichtete Beauty Dish völlig ausreichte, um das Kleid fast vollständig zu betonen.
Abb. 46: Ein Hauptblitz, ein Hintergrundblitz
Beim Shooting mit meiner guten Freundin Marina wollte ich mich nicht mehr nur auf den Einsatz von lediglich zwei Blitzen beschränken. Also baute ich die Szene erneut auf.
Diesmal zwei Blitze unter der Treppe. Einen direkt unter meinem Model, gerade nach oben gerichtet. Den Anderen ein Stück weiter nach hinten verschoben, den Blitzkopf aber leicht schräg nach vorne gedreht. Beide Hintergrundblitze sind mit einem Diffusoraufsatz ausgestattet und auf volle Leistung eingestellt.
Der Hauptblitz wird wieder mit dem Beauty Dish geformt, doch diesmal setzte ich diesen mit Hilfe eines Galgenstativs leicht oberhalb von Marina, fast gerade auf ihr Gesicht gerichtet. Also eine dezente Version des Table-Top-Light. Auf diese Weise wollte ich die Dramatik im Motiv noch etwas steigern und stellte gleichzeitig sicher, dass sich das Licht auch auf der Brust und dem Oberteil gut verteilt und nach unten fließt.
Der vierte Blitz kam schließlich als Aufheller für die Beine zum Einsatz. Ich platzierte ihn etwa in Höhe der Schultern des Models, aber steil nach unten auf die Beine gerichtet, so dass hier das Licht ebenfalls nach unten fließen kann.
Das Wunschergebnis war erreicht. Die Hintergrundblitze unter der Treppe sorgen für ein schönes Spiel zwischen Licht und Schatten. Das Beauty Dish setzt dieses Spiel mit markanten Zügen im Gesicht und am Körper fort. Der Aufheller erfüllt seinen Zweck, indem er die Beine dezent in dieses Spiel integriert.
Abb. 47: Skizze - Treppeninszenierung mit vier Blitzen
Abb. 48: Ein Hauptblitz, ein Aufheller, zwei Hintergrundblitze
Um die Szene mit meiner Dachbodentreppe auf eine ganz andere Art und Weise zu inszenieren, wechselte ich erst mal den Blickwinkel von frontal auf seitlich zur Treppe. Hierbei sollte jedoch die Treppe an sich nicht mehr als Hauptaugenmerk im Bildmotiv stehen. Vor allem die Eingangstür im Hintergrund musste jetzt eine Rolle spielen.
Ich bat also mein Model Anja es sich auf der Treppe gemütlich zu machen. Ich ließ die Tür einen Spalt offen und stellte den großen 150x200 cm Diffusor von außen davor. Den ersten Blitz platzierte ich, verpackt in meinem Strip Light, hinter dem Diffusor, um diesen als große strahlende Lichtquelle wirken zu lassen.
Im ersten Beispiel verwendete ich diesen Blitz von hinten als Hauptlicht, der die Umrisse von Anja nur sehr schleierhaft darstellt. Trotzdem setzte ich zusätzlich noch einen Aufhellblitz von rechts ein, welcher bei ganz schwacher Leistung mein schönes Model noch etwas mehr betont.
Der Blitz von hinten hebt wie gewünscht lediglich die Umrisse von Anja hervor und verleiht der Tür eine hohe Aussagekraft im Bildmotiv. Der Aufheller sorgt dafür, dass das Gesicht und der Körper nicht völlig außer Acht gelassen werden.
Grundsätzlich war das erste Ergebnis schon genau das, was ich mir erhoffte. Trotzdem wollte ich aber auch noch eine andere, weniger dramatische Lichtwirkung ausprobieren.
Ich baute also den Aufhellblitz ab und montierte ihn in die 60x60 cm Softbox mit Wabengitter, um diesmal mein Model schön gleichmäßig auszuleuchten. Zusätzlich tauschte ich das 24-105 mm Zoomobjektiv gegen die 50 mm Festbrennweite aus, die mir eine Blendenzahl von F/1.8 ermöglichte. Mit dieser weit offenen Blende konnte ich eine hohe Tiefenunschärfe erzeugen.
Abb. 49: Hintergrundblitz als Hauptlicht
Abb. 50: Skizze - Treppeninszenierung mit zwei Blitzen
Abb. 51: Softbox als Hauptlicht
Das Resultat zeigt einen insgesamt helleren Lichteindruck. Anja ist sehr gleichmäßig ausgeleuchtet, wobei die Softbox sanfte Schattenverläufe erzeugt. Die weit offene Blende verstärkt diese weiche Gesamtwirkung. Die Tür im Hintergrund kommt durch die Unschärfe zwar nicht mehr so deutlich zur Geltung, allerdings wirkt das durch den Türspalt scheinende Licht bei weitem strahlender, als bei einer Blende von F/4 mit dem anderen Objektiv.
4.4. Im Licht baden
Für die Szene mit der alten freistehenden Badewanne hatte ich eine ganz konkrete Vorstellung. Allerdings merkte ich sehr schnell, dass die Realisierung weit anspruchsvoller ist, als ich dachte.
Grundsätzlich wollte ich die Badewanne von innen heraus zum strahlen bringen und damit auch die gesamte Körperausleuchtung abdecken. Hierfür stellte ich zwei Blitze innerhalb der Badewanne auf. Einer war dabei auf den unteren Wannenrand gerichtet und der Andere in Richtung Gesicht.
Abb. 52: Skizze - Badewanne mit drei Blitzen
Ich begriff aber schon sehr bald, dass dieses Licht nicht ausreicht, um den Körper des Models ansprechend auszuleuchten. Vor allem war das Licht, welches auf das Gesicht traf, absolut unvorteilhaft. Es hatte den gleichen Effekt, wie wenn sich jemand eine Taschenlampe unter das Kinn hält, um eine Gruselgeschichte zu erzählen, was Marinas schönem Gesicht ganz und gar nicht schmeichelte. Ich brauchte also eine zusätzliche Lichtquelle von oben. Hierfür nahm ich das Strip Light, da sich die längliche Form dieser Softbox gut für die Form der Badewanne eignete. Ich ging senkrecht von oben so nah wie möglich heran, um die Lichtausbreitung mit dem äußeren Ende des Wannenrandes zu begrenzen.
Nun war ich zufrieden. Das Licht aus dem Strip Light von oben verteilt sich gleichmäßig und fällt schnell, aber sehr weich in tiefe Schatten ab. Das reflektierende Licht der Blitze in der Wanne bricht diese Schatten wieder auf und zeichnet somit eine schöne, leuchtende Kontur am Körper meines Models.
Abb. 53: Hauptlicht von oben, zwei Blitze in der Badewanne zur Konturenbetonung
4.5. Ein Objekt hervorheben
Im folgenden Bildbeispiel sollte das Hauptaugenmerk weniger auf mein Model, sondern mehr auf den Gegenstand des Ereignisses gelegt werden. Das Licht sollte deshalb vor allem das gespaltene Holz, die Axt und den Hackstock hervorheben, bzw. regelrecht zum Leuchten bringen. Im Vorfeld war am wichtigsten, sich genau Gedanken darüber zu machen, wie die zu hervorhebenden Aspekte auf das Licht reagieren, um so die entsprechende Wahl der Lichtform zu treffen.
Abb. 54: Skizze - Objekt hervorheben
Das helle Fichtenholz reflektiert zwar sehr stark, jedoch erzeugt es genauso wie der Hackstock, durch seine raue Oberfläche, sehr harte Konturenschatten. Die Klinge der Axt sollte sowieso sehr hell aufleuchten. Daher entschied ich mich für hartes ungeformtes Blitzlicht zur Hervorhebung der Holzhackaktion.
Die mittlere Blitzleistungsstufe von 1/16 reichte dabei aus, um alle Aspekte intensiv auszuleuchten, ohne es völlig zu überstrahlen. Zusätzlich stellte ich den Blitz auf die höchste Zoom-Stufe von 105 Millimeter und richtete ihn von schräg links oben, etwa 50 cm entfernt, auf die Szene. So war die Lichtausbreitung so weit wie möglich auf die Hackszene beschränkt.
Abb. 55: Hauptlicht auf Hackstock, Aufheller auf Model
Mein Model Jürgen wurde somit nur noch minimal vom Hauptlicht angeleuchtet. Dennoch sollte sein Gesicht kontrastreich betont werden, also stellte ich zusätzlich ein Beauty Dish mit Hilfe eines Galgenstativs auf, ebenfalls schräg links oberhalb von Jürgens Gesicht.
Mit dieser Lichtform konnte ich mich auf den Bereich des Kopfes und der Schultern beschränken, seine Gesichtszüge dramatisch darstellen und darüber hinaus die Aufschrift seiner Kappe und die Linien seiner Weste betonen.
Um die Umgebung nicht völlig außer Acht zu lassen, stellte ich einen weiteren Blitz auf, welcher die Kaminwand im Hintergrund noch sanft betonen sollte. Ausgestattet mit einer Diffusorkappe und auf sehr schwacher Leistung eingestellt, platzierte ich diesen direkt hinter dem Hackstock am Boden in Richtung Holzbalken gerichtet. Somit wurden der Balken, die Kaminwand und auch die Holzdecke noch leicht betont, ließ aber das Licht durch die geringe Entfernung sehr schnell wieder abfallen.
Es benötigte selbstverständlich einige Versuche, um zu der optimalen Aufnahme zu gelangen. Vor allem musste ich den richtigen Zeitpunkt erwischen, um den Auslöser im passenden Moment zu betätigen. Darüber hinaus musste ich auch die richtige Belichtungszeit herausfinden. Letztendlich war ich bei 1/60 Sekunde sehr zufrieden. Hier war die Handlung starr, sprach aber dennoch durch die leicht unscharfen, herumfliegenden Späne für eine schnelle Bewegung. Die Blende von F/4 rückte mit der Scharfstellung auf den Hackstock Jürgen angemessen in den Hintergrund. So konzentriert sich das Motiv ganz klar auf die Aktion, lässt aber mein Model dabei nicht völlig außen vor.
Das Ergebnis ist vielleicht nicht für einen Modekatalog geeignet, stellt aber genau das dar, was mein Ziel war. Ein harter Holzhacker. Wobei nicht er selbst, sondern das was er tut im Vordergrund steht.
4.6. Farbspiel
Das Motiv am Balken vor dem hinteren Kamin ist eines meiner Lieblingsmotive am Dachboden. Hier hat man die Möglichkeit, ein großes Raumbild mit vielen Ecken und Kanten zu erschaffen, in das man sein Model unglaublich vielseitig integrieren kann.
Abb. 56: Ein Blitz von schräg links, keine Hintergrundbeleuchtung
Im ersten Beispiel kam erst mal nur der Hauptblitz zum Einsatz, geformt durch das große, rechteckige Strip Light. Ich baute es links ca. drei Meter von Marina entfernt auf, senkrecht ausgerichtet, um sich relativ genau an das Format des Kamins anzupassen. Somit schaffte ich es, das Marina und den Kamin mit nur einem Blitz komplett auszuleuchten. Das weiche Licht der Softbox umfließt die Haut meines eher freizügig gekleideten Models dabei sehr weich. Die Verschlusszeit von 1/80 Sekunde hält auch die Balken und die Dachziegel dezent im Spiel.
Zwar ist dies schon ein sehr gelungenes Bild, wenn man bedenkt, dass das Ganze nur mit einem einzigen Blitz ausgeleuchtet ist. Allerdings war mir das in dieser Situation noch nicht genug. Hier wollte ich den Raum hinter dem Kamin betonen und Farbe in das Geschehen integrieren.
Ich baute also zwei Hintergrundblitze auf, beide hinter dem Kamin und auf voller Leistung. Einer nach links gerichtet mit blauem Farbfilter und der Andere nach rechts mit rotem Filter.
Mein Ziel in dieser Situation war es, den hinteren Bereich zu betonen, ihn jedoch farblich vom Vordergrund abzugrenzen.
Wenn die Systemblitze auf voller Leistung laufen, muss man sich natürlich auf entsprechend lange Aufladezeiten einstellen. Wenn man Blitze über ein Funksystem auslöst, kann es durchaus auch vorkommen, dass bei großer Entfernung und Hindernissen, wie in diesem Fall der gut einen Meter dicke Kamin, die Zuverlässigkeit auf der Strecke bleibt.
Abb. 57: Skizze - Farbige Hintergrundausleuchtung
Diese Faktoren machten mir hier das Leben besonders schwer. Bei ca. 15 Auslösungen blieb am Ende tatsächlich nur ein einziges Bild, bei dem alle drei Blitze funktionierten. Zum Glück passte bei diesem einen Bild auch die Pose und so konnte ich mein sehr geduldiges Testmodel endlich entlassen.
Abb. 58: Ein Blitz von schräg links, zwei Blitze mit Farbfilter hinter dem Kamin
Das Einsetzen von Farbe ist sicher Geschmackssache. Meines Erachtens kann man damit aber eine sehr schöne Farbdynamik in den sonst sehr eintönigen Hintergrund dieser Szene integrieren.
4.7. Lichteinfall
Im nächsten Beispiel wollte ich das Licht im Hintergrund gezielter einsetzen.
Die Stelle mit den zwei Treppenstufen zwischen den Kaminen nutzte ich schon immer sehr gerne, um einfache Posen ansprechend und mit viel Hintergrund zu fotografieren. Mit der Inspiration von Joe McNally wollte ich nun auch hier die Umgebung entsprechend bewusster zur Geltung bringen.
Am rechten Ende der hinteren Dachbodenebene ist ein kleines Fenster, welches zu einer bestimmten Tageszeit einen sehr schönen Lichtstrahl bis auf die gegenüberliegende Seite wirft. Allerdings ist dies maximal eine halbe Stunde täglich der Fall und wenn, dann auch nur bei strahlendem Sonnenschein, um überhaupt ein bisschen zur Geltung zu kommen. Aber wie McNally in seinen Büchern oft genug zeigt, ist die echte Sonne nicht unbedingt notwendig, um sie im Bildmotiv scheinen zu lassen.
Abb. 59: Lichteinfall durch hartes Blitzlicht simulieren
Ich stellte also einen Blitz direkt im Bereich des Fensters auf und richtete ihn entsprechend aus, um genau den Lichtstrahl zu erzeugen, den ich in meiner Vorstellung vor Augen hatte. Dabei verwendete ich keinerlei Lichtformer, um die Härte des Sonnenlichts beizubehalten. Den Hauptblitz ließ ich ebenfalls von rechts auf Anja strahlen, um der Lichtrichtung des simulierten Sonnenlichts nicht entgegenzuwirken. Als Lichtform griff ich hier wieder einmal zum Beauty Dish, da dieses Licht ebenfalls die gewünschte Härte mit sich bringt.
Am Ende kam ein sehr natürlich wirkendes Ergebnis heraus. Das Hintergrundlicht schneidet einen sehr direkten Lichtkeil durch das Bildmotiv. Anjas Körper erzeugt dabei harte Schatten an Wand und Bodenfläche, was deutlich an die Zeichnung durch Sonnenlicht erinnert. Durch die Lichteinfallsrichtung nach schräg links vorne bekommt der Betrachter einen klaren Eindruck, woher das Licht kommt. Die starke Konzentration des Beauty Dishs beeinflusst dabei die Wirkung dieser Schatten nicht, es hebt lediglich mein Model hervor.
Als ich Anja bat, ein Stück vor zu rücken, fiel mir ihre zur Kamera geneigte Seite zu sehr in die Dunkelheit ab. Ebenso war mir jetzt die Wirkung des Balkens und des Kamins zu schade, um diese im Bildmotiv außen vor zu lassen. Also baute ich einen dritten Blitz von schräg links auf. Auf schwacher Leistung und mit Diffusoraufsatz ausgestattet war es seine Aufgabe, die dunkle Körperseite des Models auszuleuchten und dabei ebenso die Umgebung noch sanft anzudeuten.
Abb. 60: Skizze - Lichtaufbau mit drei Blitzen
Um nicht zu sehr mit dem Lichteinfall von rechts hinten zu konkurrieren, sollte dieses Aufhelllicht möglichst schwach bleiben. Die Intensität des Hintergrundlichts tritt hier zwar etwas zurück, dennoch bleibt der Eindruck einer Lichtquelle von rechts.
Abb. 61: Hauptblitz in Beauty Dish, Aufheller mit Diffusorkappe
Das war der erste Schritt, um bewusst einen künstlichen Eindruck von Sonnenlicht zu erzeugen. Allerdings hier nur, um den Hintergrund auf ansprechende Art und Weise auszuleuchten. In den folgenden Bildbeispielen ging ich noch einen Schritt weiter.
4.8. Die Sonne simulieren
Auf den Seiten 76 bis 101 in „Sketching Light“ beschreibt Joe McNally ausschließlich Situationen, in denen er bewusst mit einfallendem Licht aus Fenstern und Türen arbeitet.
Normale durchsichtige Fenster hängt er grundsätzlich von außen mit einem Laken ab, oder stellt einen Diffusor davor, um auf die gleiche Wirkung zu kommen.
„Ein Bettlaken reicht völlig. Das erzeugt immer wunderschönes, weich gerichtetes Licht, das meist nur den Raum füllt. Stellen Sie ihr Model nah ans Laken, dann wird das Licht weich. Stellen Sie es weiter weg, dann entwickelt es Charakter.“19
Der Fotograf nutzt hier nie das tatsächlich einfallende Sonnenlicht, sondern baut Blitze vor dem Fenster auf, um damit hindurch zu blitzen. Er verdeckt (wenn möglich) sogar die auftreffenden Sonnenstrahlen. Der Grund wird schnell klar, das Blitzlicht kann er kontrollieren, die Sonne nicht. Und er ist in der Lage, sich den Eindruck von Sonnenlicht in Situationen zu schaffen, in denen gar keine Sonne vorhanden ist.
In meinem ersten Test in diesem Bereich war zwar kein Fenster im Spiel, doch die Eingangstür meines Geräteschuppens mit den großen Lücken zwischen den einzelnen Sprossen reizte mich, hier diese Methode erstmals zu versuchen.
Ich stellte den großen 150x200 cm Diffusor vor die Tür, welcher von der Größe her den Ausschnitt für meine Bildidee gut abdeckte. Um den Diffusor entsprechend zum Leuchten zu bringen, richtete ich das Strip Light in ca. zwei Meter Entfernung darauf aus und stellte den Blitz auf volle Leistung.
Im Innenraum des Schuppens stellte ich noch einen weiteren Blitz auf, welcher aber lediglich als Aufheller gedacht war. Diesen setzte ich bewusst von links so nah an die Tür wie möglich. McNally betont auf Seite 83, dass es sehr wichtig ist, den Aufheller möglichst aus der gleichen Richtung wirken zu lassen, wie das von außen einfallende Licht. Ansonsten würde ein Kreuzschatten entstehen, welcher die Simulation des Fensterlichts unnatürlich wirken lässt.20
Abb. 62: Diffusor außerhalb der Türe
Abb. 63: Skizze - Sonnenlichteinfall simulieren
Da ich mein Bild abends bei absoluter Dunkelheit aufnahm, gab es noch eine große Schwierigkeit, die mir tatsächlich erst unmittelbar vor der ersten Aufnahme wirklich klar wurde. Ich konnte nichts sehen! Also musste ich mir eine Taschenlampe zur Hilfe nehmen, welche ich zum Fokussieren auf Marinas Gesicht immer kurz einschaltete und darauf blind abdrückte.
Viel Arbeit für ein einzelnes Motiv, jedoch hat sich der Aufwand auf jeden Fall gelohnt. Das Hauptlicht strahlt von außen herein und wirkt dabei sehr natürlich. Der Aufheller konkurriert dabei nicht mit dem Hauptlicht, er hellt lediglich den gesamten Helligkeitseindruck des Motivs auf.
Abb. 64: Aufnahme in absoluter Dunkelheit
In einem weiteren Versuch wollte ich eine Gegenlichtsituation am kleinen Fenster in meinem Treppenhaus erzeugen. Das Fensterglas ist hier klar, also hängte ich es von außen mit einem einfachen weißen Bettlaken ab.
Da ich mich hier im zweiten Stock befand, war es nicht ganz einfach, einen Blitz außerhalb des Fensters zu platzieren. Um das Fenster also von außen erreichen zu können, ließ ich meinen Blitz mit Hilfe eines Galgenstativs aus einem Fenster im ersten Stock ragen. Den Systemblitz bestückte ich lediglich mit einer Diffusorkappe und stellte ihn auf 1/2, also die zweithöchste Leistungsstufe.
Abb. 65: Skizze - Aufbau einer Gegenlichtsituation
Die folgenden Bilder zeigen einen Vergleich zwischen der neuen Aufnahme mit dem Blitz durch das Fenster (rechts) und einer alten Aufnahme (links), welche im Sommer mit echtem Sonnenlicht aufgenommen wurde.
Abb. 66: Alte Aufnahme mit echtem Sonnenlicht
Abb. 67: Neue Aufnahme mit künstlichem Licht
Wie man deutlich sieht besteht in der Leuchtkraft durch das Fenster zwischen den beiden Bildern kaum ein Unterschied. Lediglich die Konturen des Baumes im Hintergrund werden links noch leicht sichtbar, was aber meiner Meinung nach sowieso eher störend wirkt, da man diese gar nicht wirklich zuordnen kann. Ebenso wird die weiße Wand im rechten Bildbereich durch die Sonne stark überstrahlt, was sich in dieser Situation nur schwer kontrollieren lässt.
Genau diese Kontrollierbarkeit spricht eindeutig für die Methode mit dem künstlich erzeugten Licht, denn der Blitz lässt sich, im Gegensatz zur Sonne, in seiner Leistung einstellen. Das Bettlaken vor dem Fenster verteilt das Blitzlicht schön gleichmäßig über die gesamte Fläche und sorgt für eine natürliche Wirkung des Lichts. Eine weiterer großer Vorteil ist, dass man hier nicht von einer kräftigen Sommersonne und Tageszeit abhängig ist und man somit eine solche Aufnahme auch im Winter bei Dunkelheit durchführen kann, wie es im rechten Bildbeispiel der Fall war.
Das letzte Beispiel zeigt die gleiche Situation wie oben, jedoch entzog ich hier dem Blitz von außen die Aufgabe als Hauptlicht und ließ ihn nur noch als Hintergrundblitz wirken. Für den Hauptblitz setzte ich nun die 60x60 cm Softbox ein und richtete ihn von links auf Anja. Somit konnte ich mein Model in dieser Pose sehr gleichmäßig ausleuchten. Durch eine Lichtquelle von innen empfängt die weiße Wand natürlich ebenfalls sehr viel Licht. Dennoch tritt dabei die Wirkung des natürlichen Lichteinfalls von außen nicht zurück. Sie wird lediglich in ihrer Intensität etwas abgeschwächt.
Abb. 68: Hauptblitz mit Softbox, Außenblitz als Hintergrundlicht
In der folgenden Bildsituation wollte ich einen natürlich wirkenden Lichteinfall erzeugen. Dieser sollte jedoch den Eindruck erwecken, als würde er von den Umgebungsbeschaffenheiten begrenzt werden, so dass lediglich eine Art Lichtspalt entsteht.
Zur Realisierung stellte ich einen Systemblitz etwa einen Meter schräg links oberhalb meines Models auf, ohne Lichtformer, um der Härte des wirklichen Sonnenlichts gerecht zu werden. Um die Lichtausbreitung nach unten einzuschränken, befestigte ich einen Karton unter den Blitz, der das Licht mit einer harten Kante zu Marias Gesicht führte.
Im ersten Beispiel arbeitete ich ausschließlich mit dieser einen Lichtquelle, was zu einem sehr kontrastreichen Ergebnis führte. Tatsächlich entstand der Eindruck, als würde ein begrenzter Sonnenstrahl über der Mauer herabfallen.
Abb. 69: Aufnahme mit einem Blitz
Um das Ganze etwas weniger dramatisch zu inszenieren, entzog ich meinem künstlichen Sonnenlicht die Funktion als Hauptblitz und setzte ihn nur noch als Hintergrundlicht ein. Die Blitzgruppe A besetzte ich nun mit einem weiteren Systemblitz, geformt durch das Beauty Dish. Diesen stellte ich links vom Model auf, etwas oberhalb der Augenlinie direkt auf ihr Gesicht gerichtet.
Um die Wirkung von einfallendem Sonnenlicht nicht zu verlieren achtete ich darauf, dass der Hintergrundblitz in seiner Lichtintensität weiterhin am mächtigsten wirkte. Zusätzlich brachte ich auch noch eine Gruppe B ins Spiel, also einen Aufheller, den ich unterhalb meines neuen Hauptblitzes anbrachte. Auf sehr schwacher Leistung eingestellt, hatte dieser Blitz lediglich die Funktion, Marias Körper davon abzuhalten, ganz im Schatten zu verschwinden.
Abb. 70: Skizze - Lichtaufbau mit drei Blitzen
Beim gesamten Lichtaufbau war es sehr wichtig, dass die Gruppen A und B von links, also aus der gleichen Richtung wie der Hintergrundblitz C kommen. Hätte man sie von rechts auf das Model wirken lassen, wären Körperschatten im Lichtfeld des Hintergrunds entstanden und die harte Lichtkante hätte sich ebenfalls aufgelöst. Auch die Schatten im Gesicht wären dann nach links gewandert. All das hätte zu einem unnatürlich wirkenden Licht-/Schattenmix geführt. Der gewünschte Eindruck von Sonnenlicht wäre aufgelöst.
Abb. 71: Begrenzter Lichteinfall
4.9. Blitzlicht als eigenständiges Bildelement
Man kommt beim Thema Blitzlicht immer wieder in Situationen, in denen man den Blitz nicht direkt als konkretes beleuchtendes Element, sondern mehr als eine Art Accessoire einsetzen will.
Für meine Arbeit war dies der Fall, als ich einen Rock zum Leuchten bringen wollte, um diesen auf besondere Weise hervorzuheben. Grundsätzlich entwickelte sich dieses Vorhaben aus dem Versuch, eine eher schemenhafte Darstellung des Models zu kreieren, wie es das rechte Bild zeigt. Hier arbeitete ich mit zwei Blitzen, direkt vor das Model gestellt. Den Ersten richtete ich auf den Rock und den Zweiten nach oben Richtung Kopf.
Das Resultat war nicht unbedingt schlecht, aber dennoch blieb der Wunsch den Rock noch intensiver hervorzuheben, bzw. mit der Hervorhebung sogar richtig zu übertreiben. Deshalb entschied ich mich zu testen, wie sich der Blitz auswirkt, wenn er direkt unter dem Rock platziert wird.
Abb. 72: Schemenhafte Darstellung
Der Blitz war nun kein beleuchtendes Element mehr, sondern nur ein Leuchtendes. Dieser Effekt ließ nun mein Model im linken Bild wie eine schleierhafte, unwirkliche Fee erscheinen, was mir durchaus sehr gefiel.
Abb. 73: Blitz unter dem Rock
Abb. 74: Blitz unter dem Rock + Softbox
Jetzt war ich entsprechend motiviert mit dem Hauptlicht noch weitere Möglichkeiten zu versuchen. Deshalb verpackte ich im rechten Bildbeispiel den Blitz in die 60x60 cm Softbox, um das Gesicht noch gezielter auszuleuchten.
Die größte Schwierigkeit bestand darin, den Blitz unter dem Rock bei den unterschiedlichen Posen davon abzuhalten, den Körper ebenfalls anzuleuchten. Er sollte wirklich nur den Rock zum Strahlen bringen. Man kann im rechten Bild deutlich erkennen, wie der Blitz sehr hart am linken Arm nach oben wandert. Ebenso traf das Licht der Softbox hier noch zu intensiv auf die rechte Seite des Rocks, was dem Strahlen von innen wieder entgegen wirkte.
Abb. 75: Blitz mit Diffusorkappe unter dem Rock, Softbox von schräg links oben
Bei der finalen Pose setzte ich eine Diffusorkappe auf den Blitz unter dem Rock, so dass sich das Licht besser verteilt. Zusätzlich stellte ich ihn nun nicht mehr gerade nach oben gerichtet auf. Ich neigte den Blitz so, dass er eine gezielte Richtung erhielt, die das Licht von einer Seite des Rocks zur anderen führte und somit so wenig Licht wie möglich nach oben auf den Körper warf. Die Arme empfingen zwar sein Licht, wirkten jedoch nicht überstrahlt.
Die Softbox ist hier schräg links oberhalb des Kopfes aufgebaut, so dass sie nur den Oberkörper und das Gesicht betont und nicht das Strahlen des Rocks verhindert.
Nun strahlte der Rock genau so, wie ich es wollte. Das Blitzlicht fließt gleichmäßig hindurch und tritt nicht mehr in Konflikt mit der Gesichtsbeleuchtung.
In einem weiteren Motiv setzte ich den indirekten Blitz gleich doppelt ein. Zwar hatten beide auch die Aufgabe die Szene auszuleuchten, jedoch waren sie zugleich feste Bestandteile im Bildmotiv.
Den ersten Blitz stellte ich in den Koffer. Dabei ist er nicht auf Marina gerichtet, sondern auf den Kofferboden, so dass sich das Licht im Koffer bündelt und wieder nach oben reflektiert wird. Den Koffer legte ich zusätzlich mit weißem Papier aus, um eine stärkere Reflexion hervorzurufen.
Abb. 76: Skizze - Kofferszene mit zwei Blitzen
Joe McNally nutzt diese Methode im Buch „Hot Shoe Diaries“ auf Seite 196. In seiner Szene sitzt eine Frau im Büro am Computer. Er benutzt die Bildschirmfläche gezielt, um sein Licht wie das Strahlen des Displays zu inszenieren. Dabei beklebte er die Fläche ebenfalls mit weißem Papier und blitzte gegen diese, statt das Model direkt anzuleuchten.21
Ich wollte damit den Koffer zum Leuchten bringen, als wäre dessen Inhalt ein besonderer Schatz. Die Interpretation des Hintergrundblitzes will ich ebenfalls dem Betrachter selbst überlassen, egal ob er als Lampe, oder als Loch in der Decke gesehen wird. Er ist ein festes Bildelement, erfüllt aber zusätzlich den Zweck, den Raum dezent aufzuhellen und die Haare meines Models etwas aufleuchten zu lassen.
Abb. 77: Blitze als Bildelemente
4.10. Das Spiel mit dem Schatten
In der Blitzlichtfotografie ist der entstehende Schatten ein ständiger Begleiter in der Arbeit an den Motiven. Im Normalfall ist er jedoch ein Nebenprodukt und steht nur selten im Fokus.
Im folgenden Versuch wollte ich mich bewusst auf den Schatten konzentrieren und dabei das Model selbst, welches dem Schatten seine Form gibt, außen vor lassen.
Da hier eine exakte Zeichnung des Schattens erwünscht ist, bedeutet das, dass man dafür mit hartem Licht arbeiten muss. Mehrere Blitze ergeben auch keinen Sinn, da schließlich eine Vielzahl von Lichtquellen auch entsprechend viele Schatten erzeugt.
Abb. 78: Lichtquelle aus ca. drei m Entfernung
Abb. 79: Lichtquelle aus ca. zwei m Entfernung
Im Versuch links wollte ich das Model auch in das Motiv integrieren. Hierfür verwendete ich eine 50 mm Festbrennweite, mit der ich die Blende bis auf den Wert von F/1.4 öffnen konnte, um Marina so unscharf wie möglich zu bekommen. Jedoch sieht man trotz starker Unschärfe sehr deutlich, wie unvorteilhaft das harte Licht auf den Körper trifft.
Daher entschied ich mich beim zweiten Versuch rechts, die Linse ausschließlich auf den Schatten selbst zu konzentrieren. Der Blitz befand sich dabei statt drei Meter, nur noch ca. zwei Meter schräg links hinter Marina. Der Schatten ist zwar sehr gut erkennbar, hat aber gegenüber dem linken Bild eine etwas unschärfere Zeichnung.
Joe McNally stellt die These auf: „Je weiter der Blitz vom Motiv entfernt ist, desto sauberer und schärfer werden die Schatten.“22 Er nutzt hierfür die Sonne als konkretes Beispiel, da diese die für uns am weitesten entfernte Lichtquelle ist und auch die härtesten Schatten hervorruft. Bei der rauen Wand hielt ich es jedoch nicht für notwendig, die Distanz wieder zu vergrößern, da die leicht aufgelöste Kante gut zu dieser Struktur passte.
Nun stellte ich mich der Herausforderung, zwei Personen in das Bildmotiv zu stellen. Die eine Person als Schattengestalt, die Zweite normal ausgeleuchtet im Bild. Diese Beiden wollte ich aber in der Handlung zusammenführen und damit eine eher bedrohliche Situation schaffen.
Den für die Produktion des Schattens zuständigen Blitz baute ich genauso auf, wie im vorherigen Beispiel. Es war mir von Anfang an klar, dass dieser auch mein zweites Model beleuchten wird und deshalb versuchte ich Maria so im Bild zu platzieren, dass ihr Schatten aus dieser Lichtquelle, weitestgehend unbeachtet bleibt.
Um das Gesicht meines Models zusätzlich zu betonen, baute ich einen weiteren Blitz mit Beauty Dish senkrecht über ihr auf. Diese Lichtform verstärkt auch die Verzweiflung in ihrem Gesicht durch intensive, nach unten fließende Schatten.
Es dauerte zwar eine ganze Weile, bis wir die richtige Position des Schattenmodels gefunden hatten, das Endergebnis entsprach dann aber genau dem, was ich mir vorstellte. Ein übergroßes „Schattenmonster“, welches ein unschuldiges Mädchen bedroht.
Abb. 80: Schattenmonster
Mein Treppenhaus ist perfekt dafür geeignet, um einen Schatten als eigenes Bildelement zu inszenieren. Genauer gesagt das Treppengeländer, welches mit dem richtigen Einsatz von Licht einen intensiven Schatten an der weißen Wand erzeugt.
In der folgenden Bildidee wollte ich dies in die Praxis umsetzen, da mir die großen kahlen Wände im Treppenhaus in vielen früheren Aufnahmen schlicht und ergreifend zu langweilig waren.
Abb. 81: Skizze - Schattenwurf des Treppengeländers
Ich stellte also den Hintergrundblitz ca. drei Meter rechts hinter der Kamera auf und richtete ihn auf das Treppengeländer. Ich verzichtete dabei wieder auf jegliche Lichtform, um die entstehenden Schatten so scharf wie möglich zu zeichnen. Bei der Lichtausbreitung traf auch etwas Licht auf den Körper meines Models, was sich aber als leichte Körperbetonung nutzen ließ und einen Aufheller somit überflüssig machte. Es war also nur noch ein Hauptlicht notwendig, um das nach links geneigte Gesicht zu betonen. Für diese Lichtquelle wählte ich das Beauty Dish, welches die Lichtkonzentration weitestgehend auf das Gesicht beschränkt.
Wie gewünscht entsteht ein aussagekräftiger Schattenwurf an der sonst so reizlosen Wand. Er verleiht dem Motiv eine gewisse Dynamik und auch das Geländer selbst wird durch die Bestrahlung von rechts schön hervorgehoben. Das Beauty Dish erfüllt wie immer seinen Zweck, indem es das Licht im Gesicht bündelt und dabei vor allem den Wangen einen starken Ausdruck verleiht.
Dass sich die nach unten fallenden Haare im linken Bild genau auf der Achse der Schattensprosse befinden war reiner Zufall, welchen ich aber dankend annahm.
Abb. 82: Schatten an der Wand
Abb. 83: Betonung des Geländers
Das Resultat war schon sehr zufriedenstellend, jedoch fehlte mir noch etwas Dramatik im Bildmotiv.
Die Idee für die folgende Aufnahme war nun, mein Model Jonas so darzustellen, als wäre er gerade von einer langen Nacht nach Hause gekommen. Ein kontrastreiches Licht und der Schatten des Geländers im Bildhintergrund sollten die gewünschte Dramatik in der Bildwirkung herstellen. Das Geländer wurde natürlich ohne Lichtformer hart angeblitzt, um wieder eine scharfe Zeichnung des Schattens sicherzustellen. Für die Körperausleuchtung kam letztendlich wieder nur das Beauty Dish in Frage. Erstens konnte ich damit sicher sein, dass die Lichtausbreitung relativ gering bleibt, das Licht sich so hauptsächlich auf das Gesicht konzentriert und nicht in Konflikt mit dem Schatten an der Wand gerät. Zweitens erzeugte mir der Aufbau von oben harte Schatten um die Augen, was die Wirkung eines körperlich ausgelaugten Nachtschwärmers noch verstärkt.
Insgesamt entsteht in diesem Bild weit mehr Dramatik, als in den vorherigen Bildbeispielen. Der Bereich des Geländerschattens ist weiter in den Hintergrund gerückt. Dadurch brauchte ich dieses Licht nicht mehr bei der Ausleuchtung des Models berücksichtigen. Das scharf von oben kommende Beauty Dish bringt wieder den Mafia-Effekt mit sich. Und durch die geringe Lichtausbreitung verschwimmt die untere Körperhälfte von Jonas langsam ins tiefe Schwarz. So entsteht durch mehr Härte und Kontrast eine weit höhere Dramatik in der Lichtstimmung.
Abb. 84: Mehr Dramatik durch mehr Kontrast in der Lichtwirkung
4.11. Langzeitbelichtung mit Blitzlicht
Das Kapitel zum Thema Langzeitbelichtung im Buch „Sketching Light“ beginnt auf Seite 333 mit dem Titel: „Sieht schwer aus, ist aber einfach.“23 Und tatsächlich kam ich schon beim ersten Versuch auf ein sehr schönes Resultat.
Zwar führte ich dafür kein aufwendiges Lichtspiel durch, jedoch wollte ich die Methode von Joe McNally grundlegend testen, da ich bisher bei dem Begriff Langzeitbelichtung nur verschwommene Lichtstreifen vor Augen hatte und Blitzlicht gar nicht damit in Verbindung bringen konnte.
Der Aufbau war einfach. Rechts und links vom Model stellte ich jeweils einen Blitz. Marina saß dabei auf einem Stuhl, so dass ihr Körper während der Belichtungsdauer auf der gleichen Position bleibt. Die Kamera montierte ich auf ein Stativ um Wackler zu vermeiden und den Fokus gleich zu halten.
Die Belichtungszeit stellte ich auf 10 Sekunden. Anschließend verdunkelte ich den Raum und drückte den Auslöser der Kamera. Die Blitze löste ich manuell per Funk aus, wobei ich sie auf unterschiedliche Kanäle stellte, um jeden separat auslösen zu können. Innerhalb dieser zehn Sekunden bat ich mein Model erst nach links und dann nach rechts zu blicken, während ich in der jeweiligen Kopfstellung den dafür zuständigen Blitz auslöste.
Fertig war ein interessantes Bild von zwei ineinander verschmelzenden Gesichtern.
Abb. 85: Langzeitbelichtung mit Blitzlicht
Abb. 86: Verschlusszeit von 10 Sekunden
Aus diesen Versuchen entstand die Idee, mit dieser Methode ein Bild zu inszenieren, in welchem das Model mit sich selbst interagiert. Eine Verschlusszeit von 10 Sekunden war dann etwas knapp, da sich mein Model hier zweimal unterschiedlich aufstellen und sich dabei in absoluter Dunkelheit zurecht finden musste. Ich erhöhte also auf 30 Sekunden. Wieder arbeitete ich mit zwei Blitzen, jeweils in einem hochkant aufgerichteten Strip Light, rechts und links vom Model. Es war hier jedoch nicht mehr notwendig die Blitze in unterschiedlichen Kanälen anzusteuern, da ich Marina hierfür zweimal auf die selbe gleichmäßige Art und Weise beleuchten wollte.
Mein Model richtete sich also im verdunkelten Studioraum in der ersten Pose auf und ich löste daraufhin die beiden Blitze manuell aus. Nun musste Marina die zweite Position einnehmen. Auf ihr Zeichen wurden die Blitze dann ein zweites mal abgefeuert.
Abb. 87: Skizze - Langzeitbelichtung - Interaktion
Abb. 88: Verschlusszeit von 30 Sekunden
Abb. 89: Blitze zweimal manuell ausgelöst
Es waren zwar einige Versuche erforderlich, bis die Posen zueinander passten, doch unsere Geduld wurde mit sehr unterhaltsamen Bildergebnissen belohnt. An den Überschneidungsstellen der Posen ist eine leichte Transparenzerscheinung zu erkennen. Diese lässt sich leider nicht vermeiden, jedoch weist dieser Effekt auch den Betrachter darauf hin, dass das Bild tatsächlich in Langzeitbelichtung entstanden ist und keine Photoshop-Tricks angewendet wurden, um ein solches Ergebnis entstehen zu lassen.
Bei dem Versuch, den schwarzen Hintergrund wegzulassen und Umgebung in die Langzeitbelichtung mit einzubinden, stieß ich sehr schnell an die Grenzen dieser Methode. Die Idee war, drei verschiedene Posen auf dem Balken innerhalb 30 Sekunden aufzunehmen.
Die Posen klappten zwar auf Anhieb, doch das große Problem bestand darin, dass die Umgebung bei allen drei Blitzdurchgängen immer wieder gleich angeblitzt wurde und somit mein Model überblendet.
Als Abschluss dieses Themas wollte ich noch eine Kombination aus dem typischen Effekt von Licht bei längerer Belichtung und dem Blitzlicht erzeugen.
Ich stellte die Verschlusszeit auf 25 Sekunden ein und gab meinem Model eine Taschenlampe in die Hand. Marina sollte mit einer kreisförmigen Handbewegung eine Art Licht- bzw. Feuerball erzeugen. Nach ca. 15 Sekunden bat ich sie, die Lampe fallen zu lassen und die abgesprochene Pose einzunehmen. Daraufhin löste ich den schräg links von ihr aufgestellten Blitz aus.
Wie gewünscht verschmolz beides sehr schön ineinander. So erzeugt mein Model im Bildmotiv einen Feuerball mit ihren eigenen Händen.
Abb. 90: Test - Langzeitbelichtung in Umgebung
Abb. 91: Kombination aus Lichtspiel und Blitz
4.12. High Speed Synchronisation (HSS)
Für Outdoor-Aufnahmen mit Blitzlicht kam für mich der helllichte Nachmittag grundsätzlich nie in Frage. Ein Grund ist die eher langweilige Lichtstimmung zu dieser Tageszeit. Die Morgen- und Abendsonne verspricht weit mehr Charakter der Natur, Farbspiele im Himmel und viel Kontrast.
Ein weiterer Grund für diese Abneigung ist allerdings auch, dass das entfesselte Blitzen mit normalen Funksystemen seine Grenzen bei einer Verschlusszeit von maximal 1/200 Sekunde erreicht hat. Bei kräftigem Sonnenschein ist dies immer noch viel zu lange. Von einem kräftigen blauen Himmel bleibt bei einer solchen Belichtungsdauer lediglich ein überstrahltes Weiß in der Aufnahme zurück und die Natur wirkt blass und uninteressant. Man könnte natürlich die Blende entsprechend schließen, jedoch entsteht dann ein durchgehend scharfes Bild, was bei Portraitaufnahmen langweilig wirkt und vom eigentlichen Bildmotiv ablenkt.
Die Lösung für dieses Problem, findet sich in der sogenannten High Speed Synchronisation. Erstmal benötigt man hierfür Blitze, welche die HSS-Technologie beherrschen. Um diese Blitze schließlich auch noch auslösen zu können, kann man einen TTL-Master-Blitz auf die Kamera montieren, welcher die entfesselten Blitze auslöst. Der große Nachteil ist hier, dass man zu den effektiven Blitzen einen Weiteren benötigt, um diese überhaupt auslösen zu können. Und ein TTL-Systemblitz mit Master-Funktion, der auch noch HSS-fähig ist, gehört natürlich nicht zu den billigen Blitzen. Hier muss ich als überzeugter Canon-Nutzer gestehen, dass man für diese Zwecke mit einer Nikon-Ausrüstung klar im Vorteil ist, denn auch die professionellen Nikon Kameras besitzen einen internen Blitz, welcher sich auch als Auslöser nutzen lässt.
Meine Canon EOS 5D Mark III hat keinen internen Blitz und für die Anschaffung eines weiteren Blitzes als reinen Auslöser, bin ich schlicht und ergreifend zu geizig. Zum Glück gibt es auch TTL-Funksysteme und Hersteller wie Yongnuo, die solche Systeme zu erschwinglichen Preisen auf den Markt bringen.
Ein erster Test an einem Sonntag Nachmittag am Basketballplatz bei einer Verschlusszeit von 1/2500 Sekunde und einer Blende von F/4 zeigt den Vorteil von HSS sehr deutlich.
Ein kräftiger blauer Himmel trotz warmen Weißabgleichs, ein weicher Hintergrund durch die offene Blende und eine optimale Ausleuchtung meines widerwilligen Testmodels. Der Blitz war hier in einer Softbox verpackt, welche von schräg rechts vorne auf mein Model gerichtet war. Ein weiterer Vorteil ist, dass das TTL-System automatisch die optimale Blitzleistung bestimmt.
Natürlich wollte ich noch mehr. Nämlich die Umgebung noch dunkler machen, durch die Verschlusszeit den Tag regelrecht zur Nacht verformen. Dabei merkte ich aber sehr schnell, wenn man die 1/200-Sekunden-Hürde beseitigt hat, wartet die nächste Barriere schon auf einen. Die Leistungsgrenze eines Canon Speedlight 580 EX II ist bei extrem kurzen Verschlusszeiten sehr schnell erreicht.
Abb. 92: 1/2500 s bei F/4 und ISO 200
Abb. 93: 1/4000 s bei ISO 100
Bei dem Beispiel rechts reduzierte ich den ISO-Wert von 200 auf 100 und verkürzte die Belichtungszeit auf 1/4000 Sekunde. Man sieht sehr deutlich, dass mein Kumpel Thomas hier vom Blitz kaum noch beleuchtet wird.
Joe McNally hat eine einfache Erklärung für diesen Leistungsverlust: „Bei sehr kurzen Verschlusszeiten gelangt nicht das gesamte Licht durch den Verschluss, sondern nur Lichtimpulse, kleine Scheibchen. Ein großer Anteil des Blitzlichts schlägt auf der Außenseite des Verschlusses auf und kommt nie bis zum Sensor.“24 Man muss also sehr vorsichtig mit diesen Möglichkeiten umgehen.
In einer Portraitsituation ist diese Gefahr geringer, da man mit der Lichtquelle sehr nah an das Model heranrücken kann. Die Aufnahme rechts wurde mit einer Verschlusszeit von 1/8000 Sekunde und einer Blende von F/2.2 aufgenommen. Die Softbox von schräg links vorne ist hier nur etwa 30 cm von Marias Gesicht entfernt. Deshalb ist die Blitzleistung auch völlig ausreichend, um bei solch kurzer Belichtung eine perfekte Ausleuchtung des Models zu erhalten.
Abb. 94: 1/8000 s bei F/2.2 und ISO 100
Die weit offene Blende trägt ebenfalls zur Aufhellung bei und formt darüber hinaus ein sehr weiches Bild. Sie erzeugt ein schönes Spiel zwischen Schärfe und Unschärfe, sowohl im Vordergrund, als auch in der Tiefe des Bildes.
Für die folgenden Aufnahmen an der Donau war HSS perfekt geeignet. Die Verschlusszeit von 1/1600 Sekunde verschaffte mir ein sattes Himmelblau.
Der Blitz von schräg rechts oben hebt Michaelas Körper dezent hervor, während die Sonne von hinten (ähnlich wie beim Charakterportrait mit zwei Blitzen) sehr schön die Konturen betont.
Auch die Aufnahme am Abend (unten rechts) zeigt den Vorteil von HSS. Die Verschlusszeit von 1/2500 Sekunde nimmt der Sonne die Leuchtkraft und lässt sie nur noch als roten Feuerball am Horizont erscheinen. Die gesamte Umgebung wirkt sehr kontrastreich. Die offene Blende von F/1.8 lässt den Hintergrund verschwimmen und so bleibt die volle Konzentration auf dem Model, welches durch das weiche Softbox-Licht deutlich hervorgehoben wird.
Bei diesem Donau-Shooting musste ich zusätzlich noch eine große Lektion dazulernen. Man sollte ein weit ausgefahrenes Stativ mit Softbox nur dann im Wasser aufstellen, wenn man sich sicher ist, dass dieses auch wirklich stabil steht. Ein minimaler Windstoß sorgte an diesem Tag dafür, dass der gesamte Lichtaufbau im Wasser landete.
Trotzdem war es ein sehr gelungener Abschluss dieses Themas und somit auch die Vervollständigung meiner Bachelorarbeit. In der Fotografie ist für mich das Licht das aufregendste Thema, da es (egal ob stark oder schwach, warm oder kalt) ein ständiger Begleiter in den Motiven ist. Dieses Licht zu kontrollieren und somit einen speziellen Bildausdruck zu formen, erfordert oft viel Geduld, wird aber durch sehr ansprechende Ergebnisse belohnt.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei all meinen Models, die sich auch bei Minustemperaturen und anderer schwieriger Bedingungen, für meine Bildideen zur Verfügung gestellt haben.
Abb. 95: 1/1600 s bei F/4 und ISO 100
Abb. 96: 1/2500 s bei F/1.8 und ISO 100
Literaturverzeichnis
McNally, Joe: Hot Shoe Diaries - Groß inszenieren mit kleinem Blitz, 2009, München: Addison-Wesley.
McNally, Joe: Sketching Light - Über die Möglichkeiten der Blitzfotografie, 2012, München: Pearson.